"Nach 4 Klassen Volksschule in Hinterstoder kam ich in die
Hauptschule nach Kirchdorf. Ich hatte furchtbar Heimweh und weinte oft. In
einem Jahr war ich gleich bei drei verschiedenen Frauen zur Untermiete. Ein Zimmer
musste ich mit dem 14 jährigen Sohn der Vermieterin teilen. Der griff dauernd in der Nacht unter der Decke nach mir. Eine Vermieterin nörgelte ständig an mir
herum und bei einer Vermieterin wollte sich ein weiterer Mieter, ein alter Mann, immer wieder vor mir nackt ausziehen.
Im 2. Schuljahr kam ich nach Windischgarsten in ein
Internat. Da hat es mir gut gefallen und in der Gemeinschaft mit meinen
Mitschülern fühlte ich mich wohl.
Morgens schon, vor dem Unterricht, spielten wir Völkerball
und machten Waldläufe. Meine Lieblingsfächer waren Zeichnen, Turnen und Singen.
Es gab eine Ausstellung mit den besten Zeichnungen aller Schüler und mit dabei war auch mein
Bild. Kurzschrift machte mir auch Spaß,
nur Mathematik, Chemie und Geometrie mochte ich gar nicht.
nur Mathematik, Chemie und Geometrie mochte ich gar nicht.
Abends wurden im Internat Spiele aufgeführt. Beim Theaterspielen wurde mir meistens die Hauptrolle
zugeteilt. Wenn ich den Text vergaß habe ich aus dem Stegreif weiter gesprochen.
Ich wollte nicht so ein Leben wie meine Mutter führen und wollte deshalb unbedingt Lehrerin werden.
Ich wollte nicht so ein Leben wie meine Mutter führen und wollte deshalb unbedingt Lehrerin werden.
In Bad Aussee musste ich am 20. Juli 1944 zur
Aufnahmsprüfung antreten. Als wir bei der Mathematikarbeit waren, wurde im
Radio vom Attentat auf Adolf Hitler in der Wolfsschanze berichtet.
Im Anschluß an die Prüfung gab es zwei Möglichkeiten die
Lehrerbildungsanstalt zu besuchen. Entweder im Protektorat Brünn oder in Linz.
Aber mein Traum Lehrerin zu werden platzte, weil ich bei der Prüfung nicht die
erforderliche Punkteanzahl erreichte.
Ich musste das von Hitler eingeführte unbezahlte Pflichtjahr machen und kam als
Haushaltshilfe nach Hinterstoder zu einer Frau mit einem Säugling, deren Mann im
Krieg war.
Im Winter musste ich in einer ungeheizten Dachkammer schlafen.
Manchmal hatte ich ein Gefühl als würden sich meine Eingeweide zu einem Knoten
zusammen schlingen. An den Dachrinnen hingen überall große Eiszapfen und ich
musste in der eiskalten Steyr die Windel waschen. Drei Monate habe ich
durchgehalten, dann wurde ich krank.
Als ich wieder gesund war begann ich eine 3-jährige
Fachschulausbildung in Steyr.
In der Ferne tobte der Krieg, der immer näher kam und auch die Hermann
Göringwerke in Steyr wurden nicht von Bomben verschont. Bei Luftangriffen mussten
wir immer wieder in Kellern oder stinkenden Stollen Zuflucht
suchen. Abenteuerlich war es für uns Kinder, wenn die Alliierten Bomberverbände
in unseren Luftraum flogen. Man hörte das Motorbrummen tief und bedrohlich. Am
Fensterbrett klirrten die Mostgläser. Vom Himmel fielen schmale
Aluminiumstreifen zur Täuschung der Abwehr. Jagdflieger flitzten wie Schwalben
durch den Himmel. Bomben wurden abgeworfen. Wenn die Flugzeuge weg waren
sammelten wir Bombensplitter mit spitzen Zacken.
Ausländische Sender im Radio zu hören war strengstens verboten und wurde hart bestraft. Bei Alarm kam ein Kuckucksruf aus dem Volksempfänger-Radio. In
den Zeitungen und im Rundfunk wurde furchtbar auf Juden und Pollaken gehetzt.
In der Zeitung "Völkischer Beobachter" stand: "Hängt die
Pollaken auf". In der Zeitung "Der Stürmer" wurden Juden mit grässlichen
Fratzen abgebildet und immer hatten sie krumme Nasen und Geldscheine in den
Händen. Über Polen und Bolschewiken hörten wir, dass sie kleine Kinder
umbringen, Männer annageln und wie Jesus kreuzigen. Frauen, so konnte man in der Zeitung lesen, werden vergewaltigt,
der Bauch aufgeschlitzt, die Augen ausgestochen, die Fingernägel ausgerissen. - es war eine furchtbare Zeit.
Auch über die Lebensmittelmarken wusste ich Bescheid.
Es gab Marken für 5g Fett, 10g Zucker, 50g Brot, 15g Marmelade, und 6g Fleisch, gerade soviel wie auf einer
Gabelspitze Platz hat. Der Kunsthonig schmeckte wie Seife. Wir sammelten
Löwenzahn und Brennesselblätter um daraus Salat zu machen. Aus
Pfefferminzblätter, Tausendguldenkraut, Lindenblüten und Kamille bereiteten
wir Tee. Die Mutter hat Erdäpfeltorte und Kukuruzbrot gebacken. Die Not machte erfinderisch."
Bombensplitter |
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