Freitag, 30. August 2019

Der Hexenmeister vor Gericht.

Das "Anbrauchen" oder der "Hexenzauber" wurde noch in den 1950er/1960er Jahren im Stodertal gerne praktiziert. Wenn man Warzen hatte, die die Hände verunstalteten und die durch Medikamente und Ärzte nicht wegzubringen waren, dann gab es nur noch die Gaislitzkoglerin, die helfen konnte.
Man musste vor Sonnenaufgang zu ihr kommen. Beim Misthaufen ergriff sie die mit Warzen bedeckte Hand und in der anderen Hand hielt sie ein Büschel Stroh mit dem sie unter murmeln die Warzen bestrich.
Nach längstens 4 Wochen waren die Warzen verschwunden.



Manchmal, wie dieser Artikel aus der "Tages Post" vom 8.9.1891 zeigt, wurde Aberglaube und Hexerei auch bei Gericht verhandelt.



Franz S. lebt seit Jahren in der abergläubischen Verblendung, es sei sein 
Haus und Grund samt seinem Viehstande, ja sogar seine an nervösen 
Krämpfen leidende Schwester Marie S. infolge Zauberei seiner verstorbenen Taufpatin Th. M. verhext, weshalb nichts gedeihe und Menschen und Tiere 
krank seien. Vor fünf Jahren, im Jahre 1886 hörte Franz S., dass ein gewisser Peter S. gegen solchen Zauber helfen könne.
Er reiste im August 1886 zu demselben und bat ihn, ihm zu helfen und sein Vieh zu entzaubern.
Peter S., dessen Vater Tierarzt war, hatte von diesem das
Anbrauchen" bei Tieren gelernt und besaß auch ein ihm angeblich
von einem Pfarrer geschenktes Gebetbuch, dass zum Vertreiben von
Hexen dienlich sein sollte. Über eindringliches Bitten des Franz
S. ließ sich Peter S. herbei, den Hexenaustreiber auf dem
Gute, wohin er neun- bis zehnmal reiste, zu spielen. Für einen
solchen Besuch erhielt er 8 bis 12 fl. (Gulden) im ganzen über 100 fl. Wie
Franz S. die Prozedur dieses Hexenaustreibens beschreibt, betete
der Angeklagte aus dem alten Gebetbuche über Haus und Grund,
Vieh und die Schwester von Franz S. Letztere wurde zwar nicht gesund,
das Vieh aber bald besser, bald wieder schlechter, weshalb
Peter S. wiederholt persönlich und brieflich eingeladen wurde, bald
wieder zu kommen, um die Hexen zu verscheuchen, welcher Einladung
er folgte. Mitunter umging der Zauberer Peter S. betend das
Grundstück und vergrub angeblich etwas Geweihtes unter die Grenz- ­
steine. Peter S. machte auch den ganz verblendeten Franz S. noch
glauben, dass der Nachbar Leopold A. der Verhexer sei.
Er (Peter S.) habe ihn mit Gottes Hilfe zu sich beschieden und 
gebunden, damit er keine größere Zauberei mehr machen könne.
A. ist aber mit dem Angekiagten in gar keinen Verkehr getreten
und kennt denselben gar nicht.

Heute hatte sich nun Peter S. wegen Verbrechens des Betrugs
im Sinne des §§ 197 und 201 des Strafgesetzes zu verantworten.
Peter S. steht im hohen Greisenalter und lebt seit Geburt
in seinem Heimatort, wo er sich des besten Leumunds erfreut.
Nach seiner Angabe glaubt er nicht an die Hexerei, wohl aber an
die Zauberei, denn im Katechismus steht: „Die Zauberei ist verboten",­
folglich müsse es Zauberei geben. Wenn man bedenkt, dass
Peter S. nie über die Grenzmarken seiner Heimatgemeinde hinausgekommen ist
und zu einer Zeit geboren wurde, welche gar nicht fern ist von der,
wo die letzte Hexe verbrannt wurde, so wäre es denkbar,
dass er von solchen Wahnvorstellungen beherrscht ist.
Der Zeuge Franz S. machte wirklich den Eindruck eines von mystischen
Phantasien gequälten Menschen. Er sagte: „Vieh und Menschen
waren verzaubert: der A. hat's verzaubert, ich habe es
gesehen, wie er mit einem Besen meine Stauden gepeitscht hat, der
zwingt den Teufel. Das Vieh sowohl als auch meine Schwester sind von
der Zauberei betroffen worden; sie leidet nach Art der vom Teufel
Besessenen an Krämpfen und Gliederreißen. Der Peter S. ist mein
Retter; ich geb' ihm alles."

Die Verhandlung wurde wegen Untersuchung des Geistes- ­
zustandes bis auf weiteres vertagt. Das Endresultat werden wir
nach Prozessende mitteilen.

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