Freitag, 7. Februar 2020

Der „Schwarze Tod" im Bezirk Kirchdorf. Seuchen und Aberglaube—Ziegenbock, Menschenschmalz und „Einnageln".

Das länderübergreifende Coronavirus aus China beunruhigt zur Zeit Menschen in vielen Ländern. Wie schrecklich eine Pandemie, so wie die Pest im Mittelalter war, als Ärzte noch keine Heilmittel zur Bekämpfung hatten, beschrieb ein Artikel in der Oberdonau-Zeitung am 25. Juli 1943.
Der Artikel wurde etwas gekürzt und an unsere Zeit angepasst.

Gotische und barocke Pestsäulen an Wegen und Straßen im Bezirk Kirchdorf erinnern uns heute noch an die Schreckenszeit der Pest. Furchtbar müssen die Folgen gewesen sein, denn allenthalben ergriff das Volk ein wilder religiöser Fanatismus. Männer und Frauen, Greise und Kinder geißelten sich nackt und sangen dazu fromme Lieder. Seit 1349 wütete der „Schwarze Tod“ in unseren Landen, verbreitete sich immer mehr und kam 1494 ganz in die Nähe Kirchdorfs. 1616 aber suchte er Kremsmünster schwer heim. Noch ärger wurde es 1648. Ein Unglück kommt selten allein. Schwere Hagelschläge, Viehseuchen, Flecktyphus und Pest schienen das nahende Ende zu verkünden. Eine entsetzliche Hungersnot raubte die letzte Widerstandskraft und so füllten sich die Pestfriedhöfe von Kirchdorf, Schlierbach, Wartberg, Pettenbach, Ried und Kremsmünster. Stündlich erkrankten die Menschen, täglich starben sie zu Dutzenden, die Pfleger und Bader starben mit und allerorts blieben leere Häuser zurück. Selbst in kleineren Pfarren raffte der Tod oft mehrere hundert Menschen dahin, besonders in den Jahren 1679 bis 1713, nachdem die Pest durch Viehhändler aus Ungarn eingeschleppt worden war. Die Sitten des Volkes verfielen rasch, Diebstahl und Raub gab’s allenthalben; Pestkranke wurden hilflos vor das Haus gestellt und sich selbst überlassen. Wo menschliches Wissen versagte, da rief man zu Gott oder beschwor den Teufel, tat Buße zum Ausgleich für die Rohheiten, suchte mit allerlei Zauber- und Bannsprüchen oder mit rätselhaften Inschriften die Pest zu bannen. Ziegenböcke führte man mit sich oder hielt sie in den Wohnungen, denn sie sollten durch ihren Geruch alle Keime auffangen.
Der Abt von Kremsmünster verbot die Abhaltung der Jahrmärkte zu Pfingsten und am 18. August die Volksfeste, bei denen allerhand "Bratlgeiger, Gaukler, Possenreißer, Sackpfeifer, Komödianten und Liedersänger" zusammenkamen, mussten entfallen. Die Zufahrtsstraßen nach Kremsmünster wurden von Posten scharf bewacht, die Bader mussten den Aderlass einstellen. Die „Nothleidendte Gemaindt auf dem Land“ würzte die Speisen mit Bibernelle (Wiesenknopf) und Kronawitt, schmierte die Pulsader und Schläfen mit Agstetnöl, kaute Alantwurzeln und Pomerantzschöller“. Ja, die Apotheke von Kremsmünster empfahl auch Menschenschmalz als Linderungsmittel, das der Scharfrichter besorgen musste. Das Volk suchte verzweifelt nach Erklärung der Ansteckung, schob die Schuld auf die unreinen Instrumente der Bader in ihren „Laßstuben“, Nebel und Wetter, Ungeziefer und Pilze; „tote Hundt und Khazen“ mochten wohl auch schuld sein, glaubte man. Das Sterben wurde immer größer, der Tod immer gieriger, das Unglück nahm kein Ende. Bei Nacht wurden die Pestleichen auf Karren zu den „Freidhöfen“ geschleppt und „ini“ den Gräbern mit Kalk überdeckt, wenn der Kranke nach mehrtägiger oder mehrmonatiger Krankheit unter unsagbarem Durst im Pestlazarett sein Leben beendet hatte. Kremsmünster errichtete an der Krems eine Holzbaracke als Pestlazarett, hier wurden die Befallenen samt ihrem Bader eingeschlossen. Als die „laidige Seucht“, die im Jahre 1713 unsere Heimat „durchloffen“, vorüber war, wurde das Jahr 1714 jubelnd gefeiert. Ungeheure Menschenmassen strömten wieder nach Kremsmünster zum Carnisseltag (Stiftertag) am 11. Dezember. Der Getreidespeicher, den der Abt von Kremsmünster für die hungerleidende Bevölkerung in Kirchdorf hatte bauen lassen, wurde wieder geschlossen, das Pestlazarett in Wartberg war nun überflüssig und auf der „Pestleiten“ in Kremsmünster war der letzte Tote bestattet worden. Die großen Holznägel aber, die in Innerbreitenau bei Molln in manchen alten Stubendecken stecken, sollen noch recht lang die Pest „einnageln", dass sie nie mehr komme.
Das entlegene Stodertal wurde im Mittelalter zum Glück von der Pest verschont.


Gemälde "Pest-Triumph des Todes" von Pieter Bruegel d.Ä. 1562 

Ein Geschichte aus Wien erzählt, dass ein Wirtshaussänger, der Augustin hieß, zur Zeit der Pest, in betrunkenem Zustand von Leichenaufsammlern in der Nacht für tot gehalten und in eine Pestgrube geworfen wurde.
Erst am nächsten Tag wurde er mitten unter den Toten von Passanten gesehen und gerettet, als er sein Lied sang.
Seit dieser Zeit ist  "Oh du lieber Augustin, alles ist hin ..." zum Volkslied geworden und seine Lebensweise zur Nachahmung empfohlen:
"Lustig gelebt und lustig gestorben, ist dem Teufel die Rechnung verdorben."

Die Toten wurden in der Nacht eingesammelt und in die
Pestgrube geworfen. In der Mitte der liebe Augustin.

Pesthaube, 17. Jahrhundert: Zum Schutz vor der Pest
 trugen Ärzte ein Ledergewand mit Überwurf und eine
 Maske. In dem schnabelartigen Fortsatz befanden 
sich
  Kräuter oder Essigschwämme zum „Filtern“ der Luft.


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