Donnerstag, 9. April 2020

Eiopfer und Ostereier

Gefärbte und dekorierte Eier gibt es schon seit vorchristlicher Zeit wie
M. A. v. Lütgendorff in der "Kleine Volks-Zeitung" vom 17. April 1938 berichtete.

Vor etwa dreißig Jahren (ca. 1908) fand ein Forscher, als er in Worms Ausgrabungen altrömischer Grabstätten vornahm, im Steinsarg eines Mädchens zwei Eierschalen, die mit einer zwar einfachen, aber deutlich erkennbaren bunten Bemalung geschmückt waren.
Und erst wenige Jahre ist es her, dass in der bayerischen Pfalz bei der Ausgrabung einer vorchristlichen Grabstätte ebenfalls ein seltsamer Fund gemacht wurde: in der Urne, in der sich neben Knochenresten noch eine Bronzenadel befand, lagen auch zwei Gänseeier. Sie zeigten keine Spur von Malerei, waren jedoch so gut erhalten, dass man an ihrem spitzen Ende noch die kleinen Löcher wahrnehmen konnte, durch die sie ausgeblasen worden waren.

Was bedeuten nun diese Eierbeigaben in den alten Gräbern? Diese Frage lässt sich nur mit Vermutungen beantworten. Es ist aber wohl kaum zu bezweifeln, dass diese Gänseeier wie auch die bunt bemalten Hühnereier einst Opfergaben darstellten im Sinne eines Symbols, durch das man die Sühne und Reinigung des Entschlafenen kennzeichnen wollte. Vielleicht waren sie auch nur als Opfergaben für die Götter beigelegt worden, denn gerade in jener frühen Zeit waren im germanischen Reich schon vielfach die Eiopfer an Stelle des Opfergeflügels getreten. Jedenfalls ist damit aber der Beweis erbracht, dass schon in alter Zeit die Eier zu bemalen und zu färben gebräuchlich war.
Wann dieser Brauch aufkam, wissen wir freilich nicht. Die Zeit der Eieropfer — denn man kann diese Sitte ohne weiteres so bezeichnen — liegt übrigens immer noch nicht hinter uns.
In Österreich und im bayerischen Hochland lässt man in Hausneubauten manchmal immer noch gerne ein Ei mit einmauern zum Schutz gegen Feuer und Wetterschäden. Man vergräbt auch das Osterei, wenn man sich vor Wassergefahr bewahren will, in der Nähe eines Flusses oder Baches. Ein solches Hausschutzei oder "Antlassei", (Eier vom Gründonnerstag - oder Karfreitag) wie man diese Eier nennt, die sich heute in manchen Volksmuseen befinden, lagen oft sogar drei oder vier volle Jahrhunderte in einem Dachfirst versteckt. 
Als Opfer für den Vegetationsgeist, den seit Urzeiten gefürchteten Dämon der Felder und der Erntefrucht, bindet der Bauer gelegentlich auch an die erste und letzte seiner Getreidegarben ein buntes Osterei, das von Ostern bis zur Erntezeit aufbewahrt wurde. Die alten Völker, besonders aber die Römer, betrachteten das Ei als die reinste aller Speisen und begannen ihre Mahlzeiten gern mit allerhand Eiergerichten.
Auch die einst so berühmte, große und aus ausgeblasenen Eiern bestehende Eierkrone der byzantinischen Kaiserin Irene, besaß wohl eine symbolische Bedeutung und versinnbildlichte möglicherweise die Unsterblichkeit; sonst könnte man sich nämlich die Veranlassung der seltsamen und äußerst kunstfertig hergestellten, wenn auch nicht unbedingt schönen, Eierkrone wohl kaum erklären.
In einigen gesetzlichen Bestimmungen des alten deutschen Rechtes hat man das Ei sogar als eine Art Schiedsrichter bestellt. Ließ sich zum Beispiel einmal nicht ganz genau feststellen, wo die Gerichtsgrenze endete, so schrieb das Gesetz eine ganz eigenartige Formel vor. Da, wo man die Grenze vermutete, musste der Beamte ein Ei auf den Boden legen. Lief es nun von selbst weiter, so wurde dort, wo es liegen blieb, die Grenze bestimmt und bezeichnet.
Oft musste der Bauer auch seinen Pachtzins in Eiern bezahlen und zwar bisweilen in der Form, dass er für jedes Viertel Landes siebeneinhalb Eier zu „zinsen“ hatte. Das Halbieren des achten Eies wurde indes nicht ihm selbst überlassen, sondern „amtlich" vorgenommen, indem der Schultheiß (Bürgermeister) des Dorfes das Ei auf die Türschwelle des Hauses legte und nun mit einem geschickten Hieb in zwei Hälften spaltete. Die Hälfte, die innerhalb der Türschwelle zu liegen kam gehörte dann dem Bauern, während die andere nach außen liegende Hälfte dem Pächter zufiel.
Solche sonderbare Gesetze, bei denen Eier geteilt und verteilt wurden, gab es im Mittelalter mehrere, aber gewöhnlich wurden sie nicht allzu streng befolgt, denn durch das Teilen wurde das Ei ja jedes mal unbrauchbar.



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