Freitag, 25. September 2020

Jägerlateinische Geschichte

1899 konnte man im Heft 11 des "Neuen Wiener Journals" folgenden Artikel lesen. Der  Artikel befasst sich mit Jägerlatein, das schon damals, genauso wie heute, überall unter Jägern, natürlich auch im Stodertal, gesprochen wurde. Der Beitrag  wurde etwas gekürzt und an unsere Zeit angepasst.


„Ja, man soll es wirklich nicht glauben, was die Dackel für schlaue Tiere sind," sagte der Oberförster. „Wenn ich mal spät nach Hause komme und meine Frau mir den Hausschlüssel zu geben vergessen hat, so werfe ich nur meinem Dackel einen bedeutungsvollen Blick zu und mein Hund kriecht unter der Schwelle der Hintertür durch, weckt meinen zweiten Hund, der meine Hühner vor dem Fuchs schützt und der im Vorzimmer schläft, lässt sich von diesem die Tür zum Schlafzimmer meiner lieben Frau aufklinken und ohne meine liebe Frau zu wecken, zieht er ihr sanft den Schlüssel unter dem Kopfkissen weg und kehrt mit seiner Beute auf dem demselben Weg, den er gekommen ist, zu mir zurück."

Während die meisten Gäste ungläubig lächelten, begann der Afrika-Reisende, Forscher und Großwildjäger: „Die Geschichte ist ja ganz schön, Herr Oberförster. Aber mir ist noch etwas weit Interessanteres passiert mit meinem Rauhaardackel. Ich denke, meine Herren," so wandte er sich an die Gesellschaft, „die folgende Geschichte wird beweisen, dass die Hunde nicht nur einen begrenzten Instinkt für körperlich Wahrnehmbares haben, sondern sich auch die Resultate der Wissenschaft zu eigen machen, wenn sie nur den dazu notwendigen anregenden Umgang haben.
„Ich hatte mich einige Zeit am oberen Nil niedergelassen, um Land und Leute zu studieren. Außer einem schwarzen Diener lebten bei mir nur zwei Dackel und ein zahmes Krokodil. Eines Tages kommt mein Rauhaardackel entsetzlich bellend in mein Zimmer und zerrt mich so lange an meinen Rockzipfeln, bis ich ihm folge. Draußen ist nichts zu sehen als das Krokodil, das sich behaglich sonnt und bei meinem Anblick friedlich mit dem Schwanz wedelt. Mein Hund aber fährt wütend auf das Krokodil los und ist fast verzweifelt, dass ich ihn nicht verstehe. „Schließlich rast er wieder hinein in's  Haus und, als ich ihm folge, sehe ich ihn winselnd vor der Kammer stehen, in der sich meine Röntgeneinrichtung befindet. Ich ahne nun etwas Düsteres, zumal da ich meinen andern Dackel nirgends entdecken kann, gehe ich hinaus und locke mein Krokodil in die Dunkelkammer. Und welch' furchtbarer Anblick bietet sich mir bei der Durchsuchung! In dem Magen des Krokodils sitzt mit eingezogenem Schwanz mein armer Hund und knabbert vor lauter Angst an einigen Fischgräten. Ich gab nun dem heuchlerischen Krokodil ein starkes Brechpulver ein und befreite meinen armen Hund, der sich vor Freude kaum auskannte. Aber auch mein Rauhaardackel war außer sich vor Vergnügen.
Während so die beide Hunde um mich herum tanzten und mir die Hände leckten, zog mein Krokodil es vor, das Weite zu suchen. Ganz ungestraft kam es aber nicht davon. Ich sah es später in einem erbärmlichen Zustand wieder. Infolge der starken Durchleuchtung waren ihm die Schuppen ausgegangen. „Und wenn Sie es nicht glauben wollen, meine Herren," sagte der Großwildjäger, als er wieder lächelnde Gesichter bemerkte, „so habe ich hier einen augenscheinlichen Beweis." Dabei holte er aus seiner Tasche ein in glattes weißes Leder gebundenes Notizbuch. „Dieser Einband ist aus dem Leder jenes Krokodils, das nachher von Eingeborenen erlegt wurde. Ich glaube, es wird keiner von den Herren auch nur eine Schuppe darauf finden." Einige der Herren sprachen von Schweinsleder, aber Schuppen konnte niemand finden.



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