Durch den frühen Bergtod seines Vaters, der 1946, 36 jährig in einem Schneesturm am Priel ums Leben kam übersiedelte seine Mutter mit ihm und seinem jüngeren Bruder zu den Großeltern nach Steyr.
Herr Grassnigg hat seine Erlebnisse und Jugenderinnerungen aus dem Blickwinkel seiner Kinderaugen in Vorderstoder und Steyr aufgeschrieben. Diese Erzählungen lassen uns die damalige entbehrungsreiche und unsichere Zeit sehr eindrucksvoll nachfühlen.
Herr Grassnigg hat seine Erlebnisse und Jugenderinnerungen aus dem Blickwinkel seiner Kinderaugen in Vorderstoder und Steyr aufgeschrieben. Diese Erzählungen lassen uns die damalige entbehrungsreiche und unsichere Zeit sehr eindrucksvoll nachfühlen.
Die Schultasche
Sie hatte zwei hölzerne Seitenteile, auf die das sie umgebende Leder genagelt war. Der Verschluss bestand aus zwei Schließen. Hinten waren zwei Riemen zum Tragen angebracht. Das hölzerne Pennal mit einem Schubfach ergänzte die Grundausstattung. Ihr Inneres enthielt den Bleistift, einige stumpfe Farbstifte, in der zweiten Klasse den Griffel für die Schiefertafel und den Radiergummi.
Letzterem galt unsere besondere Aufmerksamkeit, denn er entwickelte sich zum Objekt der Begierde. Zahlreiche Raufereien unter den Mitschülern fanden wegen eines Radiergummis statt.
An der Schultasche hing außen an einem Verbindungsfaden zur Schiefertafel im Inneren ein Schwamm und ein Fetzerl zum Löschen des Geschriebenen oder Gezeichneten. Ein an einer Schnalle befestigtes Häferl aus Metall mit etwa zwei Deziliter Inhalt ergänzte die Ausrüstung. Wenn wir im Rudel liefen, erzeugten die Häferl einen besonderen Klang.
Im Winter benützten wir die Schultasche als Schlitten und fuhren damit den Schlossberg bis nach Zwischenbrücken hinunter. Dieser war dadurch so vereist, dass sich die Fußgänger nur am seitlichen Geländer haltend hinauf begeben konnten
Die Überwindung des Mangels
Es sprach sich herum, dass in der Artilleriekaserne am Steyrer Tabor Schleichhändler tätig wären, bei denen man Lebensmittel, Alkohol und Tabakwaren gegen Bargeld kaufen könne. Die Mutter interessierten nur die Erstgenannten. Aus diesem Grund machten wir uns auf den Weg, außerhalb der Lebensmittelmarken etwas zu ergattern.
Die Ware wurde nicht öffentlich angeboten, man musste sich zunächst bei den dort Hausenden durchfragen und das gewünschte Produkt nennen. Wir suchten nach Pflanzenöl, das wir für den Salat benötigten.
Die ganze Kaserne war randvoll mit Menschen, Flüchtlingen, ganzen Familien mit Kindern, Ausgebombten, entlassenen Fremdarbeitern, KZ-Überlebenden, Heimkehrern usw.
Trotz dieser Vielfalt herrschte Ordnung, wofür wahrscheinlich die dort tätigen Hilfsorganisationen sorgten. Decken, die an etwa zwei Meter über dem Boden angebrachten Seilen hingen, bildeten Kojen. Sie ermöglichten zwischen ihren Bewohnern ein gewisses Maß an Intimität. Das ganze Leben spielte sich am Fußboden ab. An Mobilar oder Betten habe ich keine Erinnerung. An den Mann, der uns das Öl verkaufte, schon. Er hatte die Ein-Liter-Flasche in der Innentasche seines weiten Mantels versteckt. Nachdem die Mutter mit ihm das Geschäftliche abgewickelt hatte, verließen wir, ohne auf plötzlich auftauchende Warenangebote anderer Händler einzugehen, den absurden Handelsplatz.
Die Wohnung meiner Großmutter lag im zweiten Stock eines Mehrparteienhauses in der Grillparzerstraße. In ihrer unmittelbareren Nähe konnte man kleine Parzellen mieten (an dieser Stelle befindet sich heute die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land) und Gemüse anbauen, was einige Nachbarn auch taten. Die Mutter und die Großmutter hielten nichts vom Garteln, da sie der Meinung waren, dass sich das bei unserer Haushaltsgröße nicht lohnen und der Ertrag den Aufwand nicht rechtfertigen würde. Die Mutter arbeitete vor ihrer Ehe in der Buchhaltung der Steyrer Konsumzentrale, sie kannte sich dadurch bei der Kosten-Nutzen Rechnung aus.
Trotz dieser Vielfalt herrschte Ordnung, wofür wahrscheinlich die dort tätigen Hilfsorganisationen sorgten. Decken, die an etwa zwei Meter über dem Boden angebrachten Seilen hingen, bildeten Kojen. Sie ermöglichten zwischen ihren Bewohnern ein gewisses Maß an Intimität. Das ganze Leben spielte sich am Fußboden ab. An Mobilar oder Betten habe ich keine Erinnerung. An den Mann, der uns das Öl verkaufte, schon. Er hatte die Ein-Liter-Flasche in der Innentasche seines weiten Mantels versteckt. Nachdem die Mutter mit ihm das Geschäftliche abgewickelt hatte, verließen wir, ohne auf plötzlich auftauchende Warenangebote anderer Händler einzugehen, den absurden Handelsplatz.
Die Wohnung meiner Großmutter lag im zweiten Stock eines Mehrparteienhauses in der Grillparzerstraße. In ihrer unmittelbareren Nähe konnte man kleine Parzellen mieten (an dieser Stelle befindet sich heute die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land) und Gemüse anbauen, was einige Nachbarn auch taten. Die Mutter und die Großmutter hielten nichts vom Garteln, da sie der Meinung waren, dass sich das bei unserer Haushaltsgröße nicht lohnen und der Ertrag den Aufwand nicht rechtfertigen würde. Die Mutter arbeitete vor ihrer Ehe in der Buchhaltung der Steyrer Konsumzentrale, sie kannte sich dadurch bei der Kosten-Nutzen Rechnung aus.
Ich glaube, es war im Juli 1947, da bekamen wir eine Menge Ribisel geschenkt, die sofort den Weg ins Marmeladenglas fanden. Die Sache hatte allerdings einen Haken. Zum Süßen und zur Haltbarmachung fehlte die erforderliche Zuckermenge. Eine Schnitte Brot mit Margarine als Unterlage und darauf Ribiselmarmelade schmeckte später erst dann köstlich, wenn die Mutter mir und meinem Bruder erlaubte, ein wenig Kristallzucker mit zwei Fingern über die Ribisel zu streuen.
Neben dem Kriegerdenkmal an der Steyrer Stadtpfarrkirche befand sich eine Brothütte, aus der besonders am Morgen der herrliche Duft nach frischem Gebäck strömte. Ein Weckerl kostete damals 16 Groschen. Wenn ich genug Geld beisammen hatte, konnte ich nicht widerstehen und kaufte mir eines auf dem Schulweg. Die Frau am Kiosk fragte jedes Mal: „Wüst a Weckerl mit an Soiz oder wüst a Weckerl ohne an Soiz?“
Neben dem Kriegerdenkmal an der Steyrer Stadtpfarrkirche befand sich eine Brothütte, aus der besonders am Morgen der herrliche Duft nach frischem Gebäck strömte. Ein Weckerl kostete damals 16 Groschen. Wenn ich genug Geld beisammen hatte, konnte ich nicht widerstehen und kaufte mir eines auf dem Schulweg. Die Frau am Kiosk fragte jedes Mal: „Wüst a Weckerl mit an Soiz oder wüst a Weckerl ohne an Soiz?“
Rares gegen Bares
Zwischen den Bahnhöfen Garsten und Steyr befand sich eine Haltestelle der Steyrtalbahn mit dem Namen Sarning. Sie bestand nur aus einer Hütte, in die man sich bei Unwettern flüchten konnte. Der Opa nannte diesen Ortsteil „Halbgarsten“, weil sich dort die ehemalige Brotfabrik Reder befand, wo er in seinen ersten Ehejahren eine Stelle als Buchhalter inne hatte und mit seiner Familie dort lebte, ehe er in die Bahnhofstraße übersiedelte. Jahrzehnte war an der Außenmauer des zur Fabrik gehörenden Wohngebäudes ein mit blauer Farbkreide gezeichneter Männerkopf zu sehen, den angeblich mein Vater als Jüngling gezeichnet hatte. Das nur so nebenbei, denn der folgende Bericht beschäftigt sich mit einem wesentlich anderen Thema.
Hinter der oben erwähnten Haltestelle hatte ein Alteisenhändler seinen Betrieb aufgeschlagen. Vorne, zur Leopold-Werndl-Straße hin, befanden sich der Eingang und die Geschäftsbaracke. Um das gesamte Gelände führte ein hoher Zaun, damit nichts geklaut werden konnte.
Ich brauche nicht extra erwähnen, dass nach dem Weltkrieg Buntmetalle sehr hoch im Kurs standen und dass man damit Gewinn machen konnte, wenn man sie zum Alteisenhändler brachte.
Einige Buben aus meinem direkten Umfeld, die fast doppelt so alt waren wie ich, ersannen einen Plan, wie sie den Mann in der Baracke hinters Licht führen könnten. Sie verkauften ihm zum Schein gegen einen geringen Betrag irgendwo zusammen geklaubtes Alteisen. Bei dieser Gelegenheit spionierten sie die Lagerung von Messing und Kupfer aus. In der Dämmerung krochen sie auf dem Bauch von der Hinterseite aus durch den Zaun in das unter freiem Himmel befindliche Lager. Helfer mussten das Drahtgeflecht an der Unterseite in die Höhe halten. Rechts und links vom Tatort standen einige Schmiere. Das Diebsgut wurde, damit es nicht auffiel, bei einem anderen Händler gegen Bares getauscht. Einige besaßen sogar die Frechheit, dem Händler seine eigene Ware ein zweites Mal anzudrehen.
Von solchen Aktionen erfuhr ich durch meine Mitschüler bis ins Detail alles.
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