Freitag, 27. Mai 2022

Die Lederhose.

Das "Mährische Tagblatt" vom 24. April 1907 berichtet in einer Anekdote vom Empfang Kaiser Karl VI (Stifter der Karlskirche in Wien) in Prag im Juli 1723.

Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

            Kaiser Karl VI                                                     Franz A. v. Sporck                  


In einem an die Prager Kaisertage anknüpfenden Feuilleton der „Zeit“, erzählt Landsmann Kamill Hoffmann, der bekannte deutsch-böhmische Schriftsteller folgende amüsante historische Anekdote:

Am ersten Julitag des Jahres 1723, am Morgen nach seinem Einzug in Prag, empfängt Kaiser Karl VI. die böhmischen Stände. In sechsspännigen Karossen fahren die Herren des Landes vor. In Damast und Seide gehüllt, von Edelsteinen blitzend, wie Puppen verschnürt und mit zierlichen Schuhen.
Im spiegelnden deutschen Saal ist der Empfang. Die Kavaliere schreiten am Thron vorbei, jeder mit huldreichen Worten belohnt. Nun tritt Graf Franz Anton v. Sporck vor, als Gönner schöner Künste bekannt. Verwundert gleitet des Kaisers Blick an seiner Gestalt hinab. Die Lippen des Herrschers kneifen sich zusammen. Der Graf steht im Jägerkleid, in lederner Hose, vor seiner Majestät.
„Ihr kommt wohl aus den Wäldern, geradezu in Eures Kaisers Haus," spricht der Monarch ihn an. „Die anderen Herren wussten diese Stunde mehr zu schätzen." „Verzeiht, Majestät, ich dachte, dass man, um seinen Kaiser, wie sich ziemt, zu ehren, das teuerste Kleidungsstück, das man besitzt, anlegen sollte. Ich hab kein teureres in meinen Schränken als diese Lederhose.. ." Ungnädig fragend, blickt ihn der Kaiser an.
„Ach, nun versteh' ich's. Euch kam gar nichts zu Ohren," führt Graf Sporck plaudemd fort. „Man hat es Euch verheimlicht, Majestät. Es war im letzten Herbst, ich jagte in den Forsten meiner Herrschaft Lissa, die an die Wälder Eurer Majestät anstoßen. Ein ungeheurer Hirsch fiel eines Tages unter meinem Messer. Kaum aber hatt' ich ihn nach Haus gebracht, da hieß es, der Hirsch, der stamme aus den kaiserlichen Wäldern. Als Jagdfrevler ward ich angeklagt. Ich habe Feinde, Majestät, im Lande. Man machte mir einen langwierigen Prozess und schließlich musst' ich für den Hirsch mehr als dreißigtausend Gulden zahlen und froh sein, dass man mich nicht als Hochverräter henkt... Und aus dem Fell des Hirsches ließ ich mir jüngst erst diese Hose schneidern. Ist sie nicht kostbar?"
Der Kaiser lachte auf: „Ihr habt Witz, Graf." -- „Der Jagdfrevel jedoch sitzt noch auf mir. Drum will ich eine Bitte Euch zu Füßen legen: erweist mir die Gnade und seid in Lissa bald mein Gast, es gibt dort  Wild wie nirgends und ich weiß, Ihr liebt die Jagd. Wenn jener Hirsch," erwidert lachend der Monarch „am Ende wirklich sich verirrt und mein gewesen sein sollte, soll ich nun einen Hirsch aus Euren Wäldern töten. Dann sind wir quitt, Graf, nicht wahr? So ist's gemeint?"          
Und eine Woche später erschallten im Elbrevier von Lissa die kaiserlichen Fanfaren.

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