Freitag, 10. August 2018

Die Kronenzeitung berichtet am 15.8.1933 von einem Mord in der Vogelgesangklamm

In Zeitungen wird heute genauso wie früher, viel ausführlicher über Gräueltaten als über gute, positive Ereignisse berichtet. Deshalb sind leider schreckliche Dinge besser dokumentiert als gute  Geschichten. So auch dieses Verbrechen.


Die Kronenzeitung berichtet am 15. August 1933 von einem sensationellen Kriminalfall in Spital am Pyhrn:
"Wenn nicht alle Anzeichen trügen, wird in den nächsten Tagen ein entsetzliches Verbrechen aufgeklärt und gesühnt werden können, das 1916 also vor siebzehn Jahren begangen wurde.
Ein armer Schwachsinniger, der noch dazu vor der Tat betrunken gemacht wurde, ist das Opfer.
Die Täter befinden sich in Haft, es fehlt nur noch ein "Kleines" um sie vollends zu überführen. Einer von ihnen - zumindest ist er Mitwisser und Mitschuldiger - war der Dienstgeber des Opfers. Und das Motiv lag in einer Polizze. Es handelt sich um einen Versicherungsmord. Tausend Kronen waren der Betrag, um dessen Willen hier ein Menschenleben vernichtet wurde. Die Mörder aber haben ihre Beute nie bekommen.
                                                  Der Tote in der Klamm
In der Vorkriegszeit wurden auf dem Moltersberg bei Spital am Pyhrn, der zur Klamm abfällt, große Flächen Wald geschlägert. Mittels einer Riese wurden die Bäume zu Tal befördert, mancher Stamm fiel heraus und landete in der Klamm.
Der Arbeiter Peter Schwingenschuh lebte seit Jahren von diesen Stämmen, die er herausfischte. Er ist übrigens vor kurzem gestorben und kann also jetzt keine Aussage mehr machen, was in der sensationellen Kriminalaffäre noch von großer Bedeutung wurde. Kurz vor seinem Tod machte Schwingenschuh einen grausigen Fund.
An einer fast unzugänglichen Stelle, wo die Felsen steil und spitz gegen den Himmel ragen, entdeckte er ein menschliches Skelett. Weiß bleichten die Knochen in der Sonne.
                                                    Durch einen Schuh agnosziert.
Schwingenschuh machte die Anzeige. Gendarmen kamen, besahen sich den grausigen Fund und suchten weiter. Sie fanden mehr als der Arbeiter. Unweit der Stelle an der das Skelett entdeckt worden war, lag ein alter Schuh. Man sah ihm an, dass er lange Zeit dagelegen haben mochte. Doch als man ihn näher untersuchte und die Einwohner der Umgebung zusammenrief, um ihn zu besehen, da stellte sich bald eine sensationelle Tatsache heraus: Der Schuh hatte unzweifelhaft einmal dem schwachsinnigen Knecht Josef Haidhauser gehört.
Haidhauser war im Jahre 1916, als er 32 Jahre zählte, spurlos verschwunden.
Die Gendarmerie vermutete nun, dass der Knecht bei einem Weg, den er für seinen Dienstgeber machte, in ein Unwetter geraten sei, dabei den schmalen Saumpfad verfehlt habe und abstürzte. An ein Verbrechen dachte zunächst kein Mensch. Wer sollte auch einem Schwachsinnigen etwas zuleide tun? Und Geld und Gut war bei dem armen Knecht sicherlich nicht zu holen.
                                                       Mordgeständnis im Rausch
Da kam die sensationelle Wendung: Der 70 jährige Korbflechter Josef Harbacher aus Spital am Pyhrn trank bei einem Bauern einige Gläser Most. Dieser Most machte ihn sehr gesprächig und auf einmal begann er seltsame Reden zu führen, die den Bauern aufhorchen ließen. "I hab schon an umbracht!" prahlte der Korbflechter. "I kann s´ ruhig sagen. Mir kann ja jetzt nix mehr geschehen, es ist schon viel zu lang her!"
Einen Tag später musste Harbacher sehen, dass es noch lange nicht zu spät war, um ein Verbrechen zu sühnen. Da saß er bereits in Haft.
Zunächst gestand er, im Jahre 1916 in der Vogelgesangklamm einen Mord begangen zu haben. Auch bei Gericht gab er vorerst sein Verbrechen zu, später aber verlegte er sich plötzlich aufs Leugnen.
In den Verhören versuchte es Harbacher jetzt mit folgender Geschichte: Damals im Sechzehnerjahr sei ein Wanderbursche zu ihm gekommen der nur gebrochen Deutsch sprach und habe ein Glas Milch verlangt. Harbacher habe es ihm gereicht und während dessen sei der Fremde mit des Korbflechters zufällig anwesendem Freund  Johann Brendtner und mit ihm selbst in einen Wortwechsel gekommen, der in eine Rauferei ausartete. Schließlich sei ihm der Wanderbursche an die Gurgel gesprungen. Um dem Freund zu helfen habe Brendtner ein Korbflechtermesser ergriffen und damit in Notwehr den Fremden erstochen. Sie hätten dann die Leiche ausbluten lassen und in die Klamm geworfen. Harbacher der sich zunächst in Windischgarsten befunden hatte, kam jetzt nach Steyr in das Gefängnis des dortigen Gerichtes. Von dort richtete er zwei "G`sieberl" (geheime geschmuggelte Botschaften) an die Aussenwelt. Der eine der Schmuggelbriefe war an Brendtner gerichtet, der andere an einen gewissen Mittermayer, dem damaligen Dienstgeber des verschwundenen Knechtes Haidhauser. Die Schmuggelbriefe aber, die übrigens den gleichen Inhalt hatten, enthielten die Aufforderung Zeugen zu suchen und zwar im beiderseitigem Interesse. Sonst würden auch sie verhaftet werden.
                                                            Tod um 1000 Kronen
Die G´sieberln wurden erwischt. Die Folge war, dass auch die Adressaten in Haft genommen wurden. Die drei leugneten unentwegt weiter, dennoch aber sind die Behörden überzeugt, sie in den nächsten Tagen völlig ihres entsetzlichen Verbrechens überführen zu können.
Die von Harbacher aufgetischte Geschichte ist natürlich völlig unglaubwürdig. Außerdem kann sich niemand erinnern im Jahr 1916 einen fremden Wanderburschen in der Gegend gesehen zu haben. Nach den behördlichen Erhebungen, die  - wie man hofft - in kürzester Zeit auch zu einem Geständnis der Verhafteten führen werden, liegt vielmehr folgender Tatbestand vor:
Nachdem der schwachsinnige Haidhauser bei seinem Dienstgeber betrunken gemacht worden war, wurde er um neuen Most geschickt.
Auf dem Heimweg wurde der Knecht dann entweder von Harbacher allein oder aber zusammen mit Brendtner und Mittermayer überfallen, getötet und in den Abgrund geworfen.
Und das Motiv: Mittermayer, der Dienstgeber des Schwachsinnigen und zweifellos der Anstifter des Verbrechens, hatte kurz vorher eine Versicherung auf das Leben seines Knechtes über 1000 Kronen abgeschlossen.
Er suchte auch bald nach dessen Verschwinden das Geld einzukassieren, wurde aber vorerst abgewiesen, weil er noch keine Todeserklärung beibringen konnte. In der Inflationszeit, als die Polizze, um derentwillen das Verbrechen begangen worden war, wertlos zu werden drohte, hat er das Papier dann bei Gericht deponiert, wo es sich noch heute befindet und ein wichtiges Indiz bildet. Die oberösterreichischen Behörden hoffen - wie gesagt - dass ihnen die Überführung der Verbrecher in den nächsten Tagen gelingen wird und so die furchtbare Bluttat nach 17 Jahren endlich ihre Sühne finden kann".

Vogelgesangklamm


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