Freitag, 1. November 2019

Hotelplanung für das Stodertal 1905



1905 berichtete die "Tages-Post" von geplanten "Alpenhotelbauten" im Stodertal. Der Text wurde etwas gekürzt und geringfügig der heutigen Schreibweise angepasst.  

Schweizer Alpenhotelbauten im Stodertal

Aus Hinterstoder wird uns geschrieben: Dieser Tage hat sich in unserem so idyllischen, still und friedlich abseits der großen Heerstraße, am Fuße des Hochpriels liegenden Bergdörfchen ein Ereignis vollzogen, das für die ganze fernere Entwicklung des Stodertales von größter Bedeutung ist und den Anbruch einer neuen Epoche des internationalen Fremdenverkehres und damit des Wohlstandes für die Bevölkerung der sonst an Industrien und allem anderen so
armen Gegend erwarten lässt. Es wurde nämlich am 17.d.M· der Kauf von· vorderhand fünf Objekten, respektive Baugründen (darunter das schönst gelegene - Grießergut am Eingange des Tales mit über 200 Joch, Wald, Eigenjagd, Wasserkraft etc.) definitiv abgeschlossen und die betreffende Kaufsumme auch bereits bar ausbezahlt; bezüglich einiger anderer Objekte schweben die Verhandlungen noch. Da die Preise nach hierortiger Schätzung ganz bedeutende sind und mit größter Kulanz vorgegangen wurde (die Besitzer können noch bis nächsten Sommer bleiben und genießen auch noch diverse andere Begünstigungen), so herrscht darüber allgemeine Befriedigung. So viele blanke Tausender wurden wohl selten hier in Hinterstoder gesehen und verteilt. Es muß nun, um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen, gleich bemerkt werden, dass sämtliche Verkäufer bereits wieder andere größere oder kleinere Besitze hier oder in der Umgebung in Aussicht haben und überdies noch ein schönes Stück Geld in die Sparkassen legen können. — Wie bereits bekannt, beabsichtigt das heuer im Frühjahre von hervorragenden Großindustriellen Österreichs mit einem Kapitale von über sechs Millionen gegründete »Syndikat zum Bau moderner Alpenhotels an den neuen Bahnlinien« (Pyhrnbahn), auch das Stodertal in seine Pläne einzubeziehen und so dasselbe wohlverdienter Weise dem internationalen Fremdenverkehre zu erschließen. Es ist nach Ausspruch von Kennern und Mitgliedern des Syndikats tatsächlich das schönste Tal der ganzen neuen Bahnlinien von Triest bis herauf.
Es war ein glücklicher Einfall vom Besitzer des »Erholungsheims Herrn G. J. Schachinger (eigentlich der intellektuelle Urheber der Sache), sich mit den Großindustriellen in Verbindung zu setzen und diese auf die Schönheit des Tales, sowie auf die derzeit günstigen Chancen, dort einen, den modernen Bedürfnissen vollkommen entsprechenden Hotelbau vorzunehmen, aufmerksam zu machen. Eines der Mitglieder des Syndikats, Herr Generaldirektor und Kammerrat Walter Bockmayer, war nach vier wöchentlichem Aufenthalt im “Erholungsheim“ von der Schönheit des Tales, den klimatischen Verhältnissen und anderen wichtigen Faktoren etc. so hoch befriedigt und entzückt, dass schon dazumal beinahe mit Sicherheit an eine Realisierung des entstandenen Planes gedacht werden konnte. Die umsichtige, sowie rasche und äußerst kulante Durchführung der betreffenden Käufe, sowie das vorzüglich getroffene Arrangement lag in den Händen des Herrn Notar Dr. Adolf Edlen von Scheidlein in Windischgarsten, der sich ebenfalls um das Zustandekommen der ganzen Sache sehr verdient gemacht hat. Es soll nun an der schönsten Stelle, am Eingange des Tales, drüber der Steyr, auf einer höher gelegenen Terrasse und direkt am Waldesrand mit dem aufstrebenden Großen und Kleinen Priel im Hintergrund und herrlicher Rundschau auf das ganze weite, grüne Tal, ein der Neuzeit vollkommen entsprechendes großes, erstklassiges Hotel im Schweizerstile mit allen technischen Neuerungen und Erfahrungen im Bau- und Hotelfache errichtet werden. Um dasselbe herum werden, zerstreut im jungen Tannenwalde, mit guten Wegen verbunden, eine ganze Anzahl Familienhäuschen in nettem Holzaufbau erstehen so dass diese große Anlage eine eigene Kolonie für sich bilden und weil vollkommen der alpinen Szenerie angepasst, einen prächtigen Prospekt von der Bahn und Windischgarstner Zufahrtsstraße aus gewähren wird. Das dabei elektrisches Licht und Kraft, Aufzug, Tennis- und Golfplätze, Schwimmbäder, Dunkelkammer, sowie ein tüchtiger Arzt und Apotheker etc. nicht fehlen werden, ist selbstverständlich. Auch für Wintersport, Eisplätze, Rodelfahren wird reichlich Vorsorge getragen werden, denn die klimatischen Verhältnisse sind hier gerade im Winter äußerst günstig, infolge der vom Bergeskranze umschlossenen sonnenseitigen Lage an der Berglehne, die vom rauen Nord geschützt ist und intensive Bestrahlung ermöglicht, der klaren nebelfreien Tage, der unendlich reinen und nervenstärkenden Winterluft etc. Das Syndikat wird sich wie verlautet, eine Ehre darein setzen, etwas für Österreich gänzlich Neues, eigenartig Schönes zu erstellen. Auf das aussichtsreiche Plateau ober dem angekauften Grießergut, dem sogenannten „Stubbränd“ mit zwei Almhütten, wird eine schöne Fahrstraße gebaut und dort oben eine Dependance errichtet. Der geniale englische Hochgebirgsmaler Mr. E.T.Compton, der auf Einladung von Herrn Schachinger Gast in dessen „Erholungsheim“war und einige wunderschöne Aquarelle malte, bezeichnete diesen Punkt als einen der reizendsten im ganzen Tale.
Dort oben werden dann die Almhütten in eine Meierei sowie in Fremdenzimmern umgewandelt, für solche Gäste, die einige Tage die volle Abgeschiedenheit und Einsamkeit in der Bergwelt genießen, auf sich wirken lassen und doch
den gewohnten Komfort nicht missen wollen. Die Meierei wird auch als Frühstück- und Jausenstation dienen. Weiter hat das Syndikat am Wege zum Glanzpunkte des Tales, der sog. „Polsterlucke“ -Talschluss- von den Wänden des Hochpriels, 2514 Meter, und der Spitzmauer, 2446 Meter, umsäumt, von denen prächtige Wasserfälle hernieder stürzen), geplant, das dort gekaufte kleine Gütchen ebenfalls in ein nettes, feines Restaurant umzubauen. Diese Idee wird auch von den Einheimischen lebhaft begrüßt, weil der schönste und am meisten gemachte Ausflug gar keine Erfrischungsstation aufweist, wo man gemütlich ausruhen und die Wunder der Bergwelt mit Muße betrachten könnte. Die Station dürfte aber auch für Prielbesteiger und besonders für solche, die von der weiten Wanderung übers Tote Gebirge von Aussee herkommen und oft sehr ermüdet und durstig sind, willkommene Rast und Labung bieten. Da das Syndikat für Straßen- und Brückenbauten, sowie für eine ausreichende moderne und zugkräftige Reklame hohe Summen prälimininiert, so ist es selbstverständlich, dass nicht nur die ganze Gemeinde, sondern auch die heimischen Wirte und Geschäftsleute diesem Unternehmen durchaus freundlich gesinnt sind, da es für alle nutzbringend werden wird. Sie sind eben zur Einsicht gekommen, dass der einzelne mit bestem Willen diese großen Kosten nie leisten kann und der ganze geplante, vornehm erstklassige Betrieb ja hauptsächlich für zahlungskräftiges, internationales Publikum, wie reiche Engländer, Amerikaner, Russen etc., berechnet ist; es werden aber dadurch auch viele Reisende der Mittelklassen zum Besuche des Tales animiert werden. Wenn dann noch die Straße zur Station „Dirnbach-Hinterstoder“ breiter gebaut und gut instand gesetzt wird und die bereits sichergestellte flotte Omnibussverbindung zur Station zumindest zweimal täglich verkehrt (vom Gasthofe »Jaidhaus« sollen dann Anschlußfahrten
mit netten Gesellschaftswagen und mäßigen Preisen direkt in die Polsterlucke veranstaltet werden), dann kann man den Stöderern — wenn sie es verstehen, wohl gratulieren. Es wird das so prächtige Tal — eine Perle der Bergwelt Österreichs — bereits im Laufe des nächsten Jahres (schon heuer machte sich Mangel an Unterkünften sehr bemerkbar) eine unverhofft große Besuchsziffer zu erwarten haben. Dass es selbstverständlich Persönlichkeiten gibt, die sonderbarerweise dem von der ganzen Bevölkerung begrüßten Projekte entgegen sind und ängstlich besorgt alles mögliche für die Zukunft wittern, darf nicht wundernehmen, wenn man erfährt, dass vor etwa 4 Jahren, als Herr Schachinger mit vieler Mühe und Plage sowie Kosten die Kraft der vorüber fließenden Steyr zu einer elektrischen Beleuchtungsanlage für seine beiden Objekte ausnützte, von gewisser Seite gesagt wurde: »Das brauchen wir hier nicht«; während die nicht akademisch gebildeten Bauern der ganzen Umgebung meinten: »Das wäre schön und zeitgemäß.« Es ist unklug, einer für das allgemeine Wohl so wichtigen Neuerung entgegenzutreten Es gibt ja noch immer Pläne genug, wo man als Sonderling unbehelligt und ungestört hausen kann, man darf nur hinaufgehen in die Krummholzregion, »Dort wo im Almgefild, die Gems auf Felsen haust —- —«, wie es im »Stöderer Schützenliede« heißt.

Es blieb bei den Plänen und im Stodertal blieb der Charme einer weitgehend unverbrauchten Naturlandschaft, den die Sommer- und Wintergäste so lieben,  erhalten.    

Georg Julius Schachinger

Hinterstoder um 1900


Hinterstoder ca. 2010

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