Samstag, 9. November 2019

Von einem Gutsbesitzeinkäufer ohne Geld.

Über eine kuriose Geschichte von einem Gutskauf in Hinterstoder ohne Geld berichtete der "Tiroler Anzeiger" am 13.11.1929.


Der 1878 in Hinterthal in Salzburg geborene Thomas Koidl
hatte in Kössen bei Kufstein ein Bauernanwesen.
Spekulationen waren aber die Schuld, dass er Hab und Gut verlor.
So saß er nun mutterseelenallein in der Welt und dachte nach, wie er
wieder billig zu einem Haufen Geld kommen könnte. Er fand auch
bald eine Lösung mit folgender einfacher Überlegung: Wenn ich einen
großen Gutsbesitz finde, der zu einem halbwegs annehmbaren Preis zu bekommen ist,
so kaufe ich diesen meinem Sohn und der sorgt dann für meinen Lebensabend.
Aber, wie kaufen, wenn man keinen Knopf Geld in der Tasche hat?
Nun, auch da fand Koidl alsbald des Rätsel Lösung.
Zunächst war ihm ja nur darum zu tun, einen großen Gutsbesitz zu einem
halbwegs annehmbaren Preis zu finden.
Durch Verbindungen von früher her brachte er in Erfahrung,
dass ein großer Gutsbesitz zum annehmbaren Preis von
„nur" 70.000 Schillingen in Hinterstoder in Oberösterreich zu haben wäre.
Trotzdem Koidl buchstäblich keinen Groschen in der Tasche hatte,
bahnte er einen Kauf dieses Gutes an. Und zu dieser fast wahnwitzigen Idee brachte ihn
folgende einfache Überlegung:
Das Gut hat 220 Joch Grund. Auf dem Grund stehen rund 12.000 Festmeter schlagbares Holz.
Wenn ich das Holz sofort verkaufe, bekomme ich um
mehrere Tausend Schilling mehr, als das Gut samt dem
Holz kostete. 70.000 Schilling kostet das Gut, 12.000 Festmeter Holz
bringen 92.000 Schilling herein, so verdiene ich mit einem Hand­griff
22.000 Schilling und habe noch das Gut mit mehreren Joch
abgeforstetem Grund. Der Braten ist nicht ohne.
Sofort wurde mit dem Gutsbesitzer ein Kaufvertrag abgeschlossen,
demnach Koidl 17.000 Schilling Anzahlung gibt und den Rest mit zwei
kurzfristigen Wechseln bezahlt. Ja, woher die Anzahlung neh­men
und nicht stehlen und erst die Wechsel? Doch er ist ja
ein kluger Kopf. Bevor er noch einen Kaufvertrag abge­schlossen
hatte, verkaufte er einem ihm bekannten Holzhändler
die 12.000 Festmeter Holz am Stock um einen Spottpreis.
Immerhin verdiente Koidl noch seinen Teil. Dies
tat er deshalb, um von dem Holzhändler die Anzahlung zu bekommen. ­
Dieser ließ sich auch herbei und lieh dem Koidl
das verlangte Geld. So wurde der Kauf perfekt. Ohne einen
Knopf Geld kam er in den Besitz eines schönen Gutes in
Hinterstoder. - Und nun kommt das große Wenn und Aber.
Die Sache wäre nämlich ganz schön gegangen, wenn —
nicht der Verkäufer des Gutes noch am gleichen Tage des
Verkaufes nach Wien zur Nationalbank gefahren wäre, um
dort nachzusehen, ob die ausgestellten Wechsel auch
gedeckt sind. Dabei musste er leider die Erfahrung machen,
dass dies nicht der Fall war. Nun hieß es rasch handeln.
Er telefonierte sofort von Wien nach Windischgarsten, um
eine Hypothekaranleihe zu verhindern. Leider zu spät.
Koidl hatte nämlich sofort nach Abschluss des Gutskaufes auf das
schuldenfreie Haus eine Ranganmerkung im Grundbuch, lautend auf
35.000 Schilling machen lassen.
Um ganz sicher zu gehen, ließ er noch eine Ranganmerkung
im Grundbuch vornehmen, und zwar auf 5000 Dollar,
also ebenfalls 35.000 Schillinge. Die zweite Ranganmerkung sollte
jedoch nur zur Täuschung dienen, sollte also nicht ausgewertet werden.
Damit sollte nur der Eindruck erzielt werden, dass das neu angekaufte
Haus durch zwei Hypothekaranleihen bereits zur Gänze verschuldet ist.
Zu diesem Schritt sah sich Koidl deshalb genötigt, weil der Holzhändler aus
dem Kaufvertrag bezüglich der 12.000 Festmeter Holz sprang
und er ihm sofort das geliehene Geld zurückzahlen musste.
Hinter der ganzen sonderbaren Sache witterte aber die
Staatsanwaltschaft einen frechen Betrug seitens des
Koidl, denn dieser habe dadurch, dass er sich hinter dem
falschen Schein eines zahlungsunfähigen und zahlungsunwilligen Gutskäufers
verborgen gehalten habe, den Gutsbesitzer um viel Geld geschädigt.
Das umfangreiche Beweisverfahren vor dem Schöffensenat
des Kreisgerichtes in Steyr hatte nur den einen Erfolg,
dass diese bereits lange Jahre zurückliegende Sache endlich
ins Rollen kam, da mit dieser einen Angelegenheit noch
mehrere andere Strafverfahren und Strafverfolgungen in
Zusammenhang stehen. In diesem Strafverfahren konnte
dem Koidl absolut nicht nachgewiesen werden, dass er betrügerisch vorgegangen
wäre, weshalb er auch freigesprochen wurde. Der Privatbeteiligte,
der eine Forderung von 10.000 Schilling an direktem Schaden und 86.000 Schilling
indirektem Schaden durch diesen unvorsichtigen Verkauf seines Gutes erleidet,
wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Koidl hat damit die erste Verhandlung hinter sich.
Eine zweite wegen fahrlässiger Krida wird ihn alsbald wieder vor die
Steyrer Gerichtsschranken bringen. Mehrere andere Verfahren wider ihn werden
ihn aber auch vor die Innsbrucker Schöffen führen. Ob alle Verhandlungen mit
einem Freispruch enden werden ?




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