Freitag, 13. November 2020

Es soll nicht ungesühnt bleiben

Am 20. März 1946 berichtete die Zeitung "Neue Zeit" vom qualvollen Marsch von etwa 1500 Juden die von NS-Volkssturmleuten im April 1945 von der Steiermark kommend über den Pyhrnpass nach Oberösterreich getrieben wurden. Wenige Tage vor Ende des 2. Weltkrieges sollten sie in das Konzentrationslager Mauthausen gebracht werden. Viele davon mussten in den letzten Tagen des Krieges sterben.
Zum besseren Verstehen wurde der Artikel etwas gekürzt und geringfügig der heutigen Schreibweise angeglichen:






Im April 1945 wurden ungarische Juden zu Fuß über Spital am Pyhrn  gegen Linz getrieben, um in ein Sammellager nach Mauthausen zu kommen.
Dem Verhungern nahe, wankten die Unglücklichen dahin. Sie erhielten von der Bewachungsmannschaft weder Speisen noch Trank. Ihre einzige Nahrung waren einige rohe Kartoffeln. Wer am Weg vor Hunger und Schwäche zusammenbrach, wurde von der Wachmannschaft einfach erschossen und verscharrt. Einige dieser niedergeknallten Opfer wurden kürzlich aufgefunden und geborgen.
Der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde, Dr. Friedmann, ist bemüht, das Schicksal der aus dem Elendszug vom April 1945 Verschwundenen aufzuhellen.  In diesem Zusammenhang wurden zwischen Losenstein und Ternberg drei und bei Reichraming sechs erschossene bzw. erschlagene Juden ausgegraben. Zur Bergung der Leichen hatte man ehemalige bekannte Illegale, herbeigeholt. Unter der Aufsicht des seinerzeitigen Partisanenführers von Losenstein, Anton B. und im Beisein der Ortsgendarmen holten sie die Überreste der unglückseligen Opfer brauner Barbarei heraus, an denen der bei der Exhumierung anwesende Arzt 
Dr. Lederer in drei Fällen Verhungern als Todesursache feststellte. Man begnügt sich nicht damit, die Opfer zu bergen, sondern ging auch daran, die Schuldigen an deren schrecklichem Tod, der Sühne zuzuführen.
Am 13. März wurde bereits ein Teil der Personen, die damals als Begleitpersonen an dem Judentransport teilnahmen, durch die Gendarmerie verhaftet und dem Kreisgericht Steyr eingeliefert. Weitere Verhaftungen sollten bevorstehen.


Baronin Mary von Holzhausen, die in Klaus am Baderkogl wohnte, riskierte ihr Leben, indem sie den Häftlingen zu essen gab. Eine Gedenktafel erinnert daran.


In der Gemeindechronik von St. Pankraz wird über diesen Todesmarsch folgendes berichtet: “Am 17.4.1945 wurden durch St. Pankraz ca. 800 Juden getrieben, dabei wurden 3 wegen Marschunfähigkeit vom Transportführer erschossen und an Ort und Stelle verscharrt. Am 22. 5. 1945 wurden diese 3 Leichen wieder ausgegraben und im Ortsfriedhof zu St. Pankraz beigesetzt. Die hier erwähnten Morde fanden statt: Einer auf der Waldner Höhe, einer beim Krengraben (St. Pankraz) und einer hintern Gasteig (Steyrer Brücke). 1968 wurden alle Opfer exhumiert und vom Friedhof in St. Pankraz in die Gedenkstätte Mauthausen, Quarantänefriedhof, Feld 20 überführt“.

Zwei Frauen erinnern sich noch heute daran. So etwas ist nicht zu vergessen: „Häftlinge sind auf der Straße durchgetrieben worden wie bei einem Viehtrieb. Ich war damals als Dirn in der Landwirtschaft tätig. Ich bin an diesem Vormittag mit der Jause auf die neben der Straße liegende Wiese gegangen, einen Brotlaib unter dem Arm. Ein ganzer Schwung von Häftlingen ist mir entgegengelaufen. "Mensch verschwind sunst daschiaß i di, du Trampl", war die drohende Stimme des Wachtpostens. Ich habe ihnen den Brotlaib zugeworfen. Recht hast g´habt, hat später die Bäuerin zu mir gesagt.

Auch am Wohnhaus von Baronin Mary v. Holzhausen zog dieser Elendszug vorbei: Wie Schafe sind sie auf die Wiese gegangen und haben Gras gegessen. Als die Baronin einen Häfen Erdäpfel hinausstellte, entging sie nur mit Glück einer Verhaftung.

Wie es eine Eintragung in der Gendarmerie-Chronik bestätigt, war der Zug in St. Pankraz nur mehr 800 Personen stark. Handelte es sich tatsächlich um jenen Transport, der in Graz abgegangen war, so war er bis zur Landesgrenze auf 2/3 seiner ursprünglichen Größe, also um rund ein drittel reduziert worden, was soviel heißt, dass mehr als 400 Menschen ihr Leben lassen mussten.

Immer wieder hört man, dass beobachtet wurde, wie diese vor Hunger und Anstrengung völlig Entkräfteten und von ihren Bewachern Gepeinigten, Würmer und Schnecken sammelten und vom Straßenrand Gras abrissen. Dies wird auch von Klaus von mehreren Augenzeugen übereinstimmend berichtet. So auch eine damals 22jährige Frau: „Als ich beim Fleischhauer unter dem Schloss, nahe der ehemaligen Schlosstaverne ging, kam ein ganzer Zug elendiger, verhungerter und gänzlich ermatteter Juden daher. Da ich neben der Straße ging, konnte ich alles aus nächster Nähe betrachten. Die Begleiter hatten Schlagstöcke und Gewehre. Sie sind dann hingetrieben worden bis zum Schinagl, sie kamen ja über den Pyhrn. Da war eine große Wiese beim Grübmerhof, dorthin trieb man sie. Dort mussten sie einen Draht herumziehen, dass keiner entweichen konnte. Man kochte ihnen heißes Wasser und goss es in ihr Geschirr. Das Ärgste kommt aber noch. Als sie wieder weggetrieben wurden, war kein Gras mehr auf der Wiese. Es war ca. 10cm hoch gewesen. Sie haben es gegessen.

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