Freitag, 25. November 2022

Seltsame Geschichten

Im Grazer Tagblatt, im Prager Tagblatt und im Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen.

Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

                                                   ********
  
Raffael Sanzio (geb. 1483, gest.1520)
Maler und Architekt der italienischen
Hochreneissance

Grazer Tagblatt 1. August 1912

Raffaels Madonna und - die Zwiebel.

Eine reizende Anekdote, die wenig bekannt sein dürfte, weiß die „Jtalia Centale" von Raffael zu berichten.
Raffael besaß mehr als das gewöhnliche Maß von Faulheit, und sein Beschützer und Gönner, Leo X., hatte des öfteren Anlass, dem Meister ernste Vorhaltungen zu machen. Da selbst die besten Worte nichts fruchteten, schloss der Papst ihn eines Tages kurzerhand ins Atelier ein, ließ ihm aber vorher ein großes Brot und eine riesige Menge Zwiebeln als einzige Nahrung verabfolgen. Dann sollte der Meister ans Werk gehen. Raffael sann auf Rache. Er pinselte frisch drauf los, und die Madonna, mit der er gerade beschäftigt war, war rasch vollendet. Aber an Stelle des liebreizenden Gesichtes, das eine Madonna gewöhnlich zu haben pflegt, zeigte Raffaels neue Schöpfung ein entsetztes, halb abgewandtes Gesicht, auf dem deutlich Spuren von Ekel zu sehen waren.
Als Leo X. nach einiger Zeit das Atelier mit seinem Gefolge betrat, stutzte er beim Anblick der Madonna, zog dann die Stirne kraus und sagte in bitterbösem Tone: „Raffael! Was soll denn das heißen?"— „Mit Verlaub, Eure Heiligkeit, ich verstehe wirklich nicht ..."— „Was ich sagen will? Warum hat die Madonna ihr Gesicht abgewendet?"— Eure Heiligkeit," antwortete demütig der Künstler, „die Madonna ist angeekelt!"
Leo X. sah Raffael scharf an, er traute seinen Ohren kaum als Raffael die Zweifel in seines Herrn Gesicht sah, da beeilte er sich, zu erklären: „Mit Verlaub, Eure Heiligkeit, der Madonna ist übel geworden von den vielen Zwiebeln, die Eure Heiligkeit mir zugewiesen haben."

                                                    ********

US - Dollar

Grazer Tagblatt 3. April 1931

Als der Dollar verachtet war.

Nicht immer war der Dollarschein ein begehrtes Papierchen.
In den ersten Jahren seines Bestehens hatten die Vereinigten Staaten ebenso sehr über die Missachtung des Papiergeldes zu klagen wie Ungarn in den schlimmsten Zeiten der Inflation.
Darüber erzählt man in Amerika oft folgende Anekdote. Einem Dampfer, der den Mississippi hinunterfuhr, war das Brennmaterial ausgegangen. Kurz entschlossen, steuerte der Kapitän auf das Ufer zu und warf Anker. „Ist das nicht Ihr Wald?" rief er einem Mann zu, der an der Reling stand. „Gewiss!" antworte der. „Wollen Sie ihn mir nicht verkaufen?"— „Ja!"— „Nehmen Sie Papiergeld?"— „Warum nicht?"— „Wie viel wollen Sie?"—
„Soviel Zentner Holz, soviel Zentner Papier!" war die ernsthafte Antwort.

                                                     ********

Benito Mussolini (geb.1883, gest.1945)

Tagblatt 1. März 1927

Der "Alles Macher"

Mussolini heißt im Jahr 1927 im italienischen Volkswitz nur mehr „fattuto" oder „fattut" - "Alles Macher". Das Wort ist natürlich verboten und wer erwischt wird, wandert hinter Gitter. In diesem Wort drückt sich aus, was das italienische Volk von seiner Diktatur, seiner modernen Tyrannei denkt. Es macht ihn für alles verantwortlich, was in Italien geschieht. Es drückt sich darin auch aus, dass ihm die Herrschaft Mussolinis etwas Fremdes ist, etwas, das über das italienische Volk verhängt ist, was man ertragen muss, so lange man es nicht ändern kann. Über das Verhältnis zwischen dem König und besonders über des Königs bescheidene Rolle neben dem alles Macher Mussolini, erzählt folgende kleine Anekdote:

Großer Empfang im Palazzo Chigi. Im Vordergrund Mussolini, dick und prächtig,  der König Viktor Emanuel III 1,53 m klein und schmächtig im Hintergrund. Völlig unbeachtet steht er abseits — nur sein Adjutant umschwänzelt ihn. Da entfällt dem König das Taschentuch. Dienstbeflissen springt der Adjutant hinzu und überreicht dem König sein „Fazolettlein".
Der König dankt geradezu in überströmender Weise, so daß der Adjutant sich „erkühnt" zu fragen, warum der König aus dem kleinen Dienst so viel Aufhebens mache.
Darauf der König: „Ja, mein Lieber, das verstehen Sie nicht. Dieses Taschentuch ist die einzige Angelegenheit, wo ich noch die Nase hineinstecken darf“.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen