Freitag, 27. März 2020

Woher kommen die alten bäuerlichen Hausnamen?

Prof. Gregor Goldbacher aus Steyr (geb.1875, gest.1950), der auch oft in seinem Haus in Hinterstoder wohnte, erforschte die Herkunft alter Hausnamen in Steyr und dem Steyrtal. Ein Zeitungsartikel in der Oberdonau-Zeitung vom 16. Mai 1943 berichtete darüber.
Der Artikel wurde etwas gekürzt und an unsere Zeit angepasst.

So wie früher bei den Einkehrgasthöfen das Wirtshausschild viel bekannter war als der Name des oft wechselnden Eigentümers; wie die Flößer und Schiffknechte beim "Goldenen Schiff", die Boten und Fuhrleute beim "Schwarzen Bären", "Grünen Baum" oder beim "Goldenen Ochsen" einstellten, so ist es auch bei unseren bäuerlichen Hausnamen, die seit ihrem Entstehen immer der "ruhende Pol" blieben bis zum heutigen Tag. Was würden diese uralten Namen alles erzählen können. Von den Ursachen und den Ereignissen bei der Erbauung der Höfe, von der Bedeutung der Namensgebung. Wenn wir doch die Rätsel lösen könnten, die so manchen Namen geheimnisvoll bis heute umgeben. Besonders bemerkenswert ist, dass auch heute noch die Landleute sich im allgemeinen duzen und nicht beim Schreibnamen, sondern beim Hausnamen ansprechen. "Hast Du keinen Ochsen zu verkaufen, Hintersteiner?" fragte der Nachbar den Besitzer Ziebermayr? Oder zu seinem Bruder, der der "Feldbauer" ist oder zum zweiten Bruder, der auf dem alten "Eckarthof" schaltet und waltet. Nur in den seltensten Fällen stimmt der Name des Besitzers mit dem Hausnamen überein, dies hauptsächlich dann, wenn eine lange Geschlechterreihe den Besitz halten konnte (z.B. Mayr in St. Ulrich, Förster in Gaflenz).
Viele Hausnamen gehen auf das römische major domus, der "Hausmeier", zurück, denn noch heute ist der "Moar" die wichtigste Person im Hause. Die unzähligen Personennamen, welche "Mayr" in der Mitte oder am Ende des Wortes haben, sind ja bekannt; ja es gab in Wien sogar einen "Mayr-Verein" mit vielen Hunderten von Mitgliedern. Von gewissen Namen wissen wir wohl, woher sie rühren; so gehen alle Hausnamen, wie Reiter, Reitner, Reiterer, Bärenreith, Bubenreith, Reithuber, Riedhof, Reuter, Räder, Sichelrader auf jene alten Zeiten zurück, wo man erst den Wald ausroden musste, um Platz für Siedlungen zu schaffen. Die Namen mit "Zell" (Zellbauer, Zellmayr) weisen auf das eindringende Mönchstum hin. Die "Hube" besitzt 40 Joch Grund, das "Zehetnerhaus" ist das ansehnlichste, der "Lehner" hatte sein Besitztum nur geliehen, der "Riegler" liegt auf einem Bergrücken; in der Nähe des "Unter- und Oberklausera" und beim "Klausriegler" war seinerzeit eine Klause zum Holzschwemmen, der "Wimmer" hat seinen Namen vom alten Wine (Winerweg), das heißt Weide, der "Schachner" besaß einen "Schacher", das heißt Wald (Thanschachner), der "Hager" hatte für sein Vieh ein Hag errichtet und die vielen "Brandstetter" erinnern daran, dass unsere Bauernhäuser früher zumeist Holzbauten waren und oft dem Feuer zum Opfer fielen. Eine Wanderung in die "Raming" (die Bedeutung dieses Wortes ist umstritten) sagt uns, dass hier einst Wildnis mit reichem Tierleben herrschte, woran noch viele Hausnamen erinnern, so z.B. "Bärenreith, Bärnebu, Wolfslehm, Wolfsgrub, Fuchs, Geier, Schweinschwaller, Saurüssel, Falkenvogel" u. a. Das uralte Gehöft "Garolder" auf der Höhe von Ebersegg erinnert an den Markgrafen Gerold und der "Arbacher" an den Markgrafen Aribo. Auf ein hohes Alter blicken auch die Häuser mit den Namen "Hofstatt" und "Taverne" (Hausmanntaverne, Schloßtaverne u. a.). Letzterer Name bezeichnet ein altes Gasthaus, zumeist heute noch in Betrieb.
In der Zeit, wo in unseren Tälern und Gebirgsgräben das Messerschmiede- und Nagelschmiedhandwerk in Blüte stand, führen uns die Hausnamen Nagelschmiedhaus, Hammerhäusl, Steffelkollerhaus, (Köhler) Schmiedhäusl, Zweckschmied, Klingspiegel, Aufschläger, Kleinhammerhäusl, Hammermeister, Haus auf der Wühr (Wehre im Bach), "Häusl unter der Radsperre" (wo das "Einschleifen" der Wagenräder endete). Vielfach bestimmte die Lage des Hauses seinen Namen: "Mayrgut auf der Leitn",  "Häusl unter der Aichen", "Ober- und Untersteinleitner", "Ennsmühlhäusl", "Roßweidergütl", "Groß- und Kleinlehmbichler", "Grabenhofer", "Unter- und Oberstraßer", "Burgholzer", "Sonnleitner", "Pichlbaumgartner", "Ober-, Unter- und Mittereggergut", "Groß- und Kleinberger", "Windhager", "Tiefenbäck ", die am tiefen Bach wohnenden heißen Tiefenbäcker, die Bewohner von Trattenbach (Trattenbäcker), "Groß- und Kleinwagner", "Schattleitner"; hoch oben liegt das Haus "Sulzstein", wo man früher für das Hochwild durch Salzstreuen eine "Sulz" im Walde bereitete. Die häufig vorkommenden Salpeterausspritzungen an Mauern (in der Mundart "Saliter") haben den Hausnamen "Salitererhaus" verursacht. Auch die alte Bezeichnung "enz", welche "groß" bedeutet, und heute "erz" heißt (Erzherzog, Erzengel, Erzbischof) kommt als Hausname beim Enzenreitergütl sowie beim "Bauer zu Enzengaden" (große Weide!) vor. Die bäuerlichen Handwerker arbeiteten meist in kleineren Häusern, welche noch heute die entsprechenden Namen tragen. So gibt es Schuster-, Schneider-, Binder-, Nagelschmied-, Kerbler-, Maurer-, Weber- und Mühlzurichterhäusl. Ein Spottname dürfte die "halbe Hub" sein. Auf einer Wasserscheide zwischen Enns und Steyr liegt das "Gschoadweir", unweit davon das "Mollnerweir", der ausführliche Name, den sich die Mundart abgekürzt hat, lautet Vorder- und Hinterweirmayr. Der "Heinzeibauer" saß jedenfalls gern auf der "Hoanzelbank" und hatte sich manches Werkzeug geschnitzt und in der "Weberpoint" stand sicherlich einst ein alter Webstuhl.
Diese kleine Blütenlese bäuerlicher Hausnamen ist bloß der Umgebung entnommen und birgt trotzdem eine Fülle noch ungeklärter Bedeutungen, denn man stößt häufig auf Namen, die noch nach ihrer Entschleierung harren. Die vielen Verbindungen mit "dam" (Damberg, Dambach, Damböck, Thambachleitner, Damwild), in alten Urkunden danberc geschrieben, haben noch keine einwandfreie Erklärung gefunden. Recht seltsam klingen auch Namen wie Gugulehner, Seng, Hadelaumgartner, Weichhartsbichler, Niederlaßhäusl, Plabacherhofstatt, Stöcklfurtner, Pokkimmerl, Ramels, Schoiber und viele andere, deren Schreibweise in den Urkunden mancherlei Rätsel aufgibt. So wird das "Kienauergut" am Kienberg bei Trattenbach schon 1360 Chienav, das Tiefenbäckgut 1374 Tenffenbachgut, der "Mayr zu Werking" bei Garsten "Werkgaden" genannt, die Häuser am Jägerberg (Sankt Ulrich) lagen am "Jagirinberge", die Güter auf dem "Eberleinsweg" (1324) bei Aschach haben ihre Namen beim "Eberlberger" noch erhalten. Uralte Siedlungen sind die Zehenthäuser in Dietach  "Unter dem Berg" (1263), heute der "Mayr zu Unterberg" (d. h. unter dem Heuberg) und "In der Gruft" (heute die Kriftner- sölde). Auf ein besonderes Alter blicken die "Reitnergüter" (alte Rodungen!) bei Christkindl, Schwamming und Tinsting zurück und die "Wolfschwengergüter" werden schon im Jahre 985 unter jenen Orten aufgezählt, von welchen die Kirche in Sierning den Zehent bezog.

In diesem knappen Auszug sollte nur gezeigt werden, wie viel volkskundliche Werte und Hinweise auf die Siedlungsgeschichte in unseren bäuerlichen Hausnamen enthalten sind.
G. Goldbacher.





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