Freitag, 30. Dezember 2022

Geschichten von Geld und Überraschungen

Im Grazer Tagblatt und im Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen.

Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.


Ludwig XVIII (geb.1755, gest.1824)

Grazer Tagblatt 12. Oktober 1924

Einträgliches Bibelstudium.
Anlässlich des 100. Todestages König Ludwigs XVIII von Frankreich erinnert die „Gazette de Lausanne" an eine ergötzliche Anekdote.

Eines Tages hatte die ebenso schöne, wie verschwenderische Gräfin du Cayle ihrem königlichen Freund zu verstehen gegeben, dass sie sich in arger Geldverlegenheit befinde. Am nächsten Tag erhielt sie vom König ein Kästchen, in dem ein „Altes Testament“ in kostbarem Einband lag. Der Sendung lag ein Handschreiben des Königs bei, das nur die Worte enthielt: „Frau Gräfin, die Bibel ist das Labsal der Unglücklichen. Lesen Sie die Bibel." Dieser Scherz war nicht nach dem Geschmack der Gräfin und als der König sie bei der nächsten Zusammenkunft fragte, ob sie in der Bibel gelesen habe, antwortete sie kurz: „Noch nicht." „Sie haben Unrecht, Frau Gräfin," belehrte sie der König, „glauben sie nur, ich rate Ihnen gut, wenn ich Ihnen die Lektüre der Bibel empfehle." Durch die beharrliche Mahnung neugierig gemacht, blätterte die Gräfin in der Bibel und erlebte dabei die freudige Überraschung, an mehreren Stellen Tausendfrankennoten eingelegt zu finden. Am folgenden Tag bekannte sie freudig, dass sie in der Bibel gelesen habe. „Und darf ich fragen, welchen Eindruck die Lektüre auf Sie gemacht hat?" fragte der König. „Sire," antwortete die Gräfin, „die Lektüre hat mir Lust gemacht, jetzt auch das Neue Testament zu lesen.

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Tristan Bernard (geb.1866, gest.1947)
Rechtsanwalt, Schriftsteller, Dramatiker.

"Tagblatt 1. Februar 1931

Tristan Bernard, der französische Schriftsteller mit dem gepflegten Vollbart, kommt in letzter Minute auf den Bahnsteig, springt in das erste beste Abteil und macht es sich bequem. Plötzlich erscheint der Kopf des Schaffners am Fenster: „Mein Herr! Können Sie nicht lesen? „Aber erlauben Sie mal", lässt sich da eine Fistelstimme vernehmen, „ich bin die berühmte Dame mit dem Riesenbart und reise zum Jahrmarkt nach Douai." Worauf der Schaffner sich höflichst entschuldigt.

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Amerika.
Der Berliner Korrespondent der „Chicago Tribüne" erhielt eines Tages von seiner Redaktion folgendes Telegramm „It lies something in the air, we want 300 lines about it." (Es liegt etwas in der Luft, wir brauchen dreihundert Zeilen darüber.)

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Teuerung.
Ein guter Mann
, dem es bei der zunehmenden Teuerung allmählich unmöglich geworden war, seine Familie und sich selbst redlich durchzubringen, hatte zu dem beliebten Mittel gegriffen, mit dem „Gottseibeiuns“ (Teufel) einen Pakt abzuschließen.
Der Teufel, den man im lieben Österreich nicht erst zweimal an die Wand malen muss, bis er erscheint, war auch auf den ersten Anruf zur Stelle und ging auch sogleich auf den Vertrag ein:
Der Teufel verpflichtet sich, der Gegenseite drei Jahre hindurch ein vollkommen
 steuerfreies fürstliches Einkommen zu verschaffen und überdies drei Aufträge auszuführen, wogegen ihm dieselbe nach Ablauf dieser Zeit ihre Seele spesenfrei ab Wohnung zur Verfügung zu stellen hat. Punktum!

Drei Jahre vergingen für den Familienvater. Da stellte sich auch der Teufel, der seine Verträge besser einhält als mancher Operettentenor ein und forderte seinen Lohn. „Du hast dich zu drei Arbeiten verpflichtet", sagte der Familienvater. „Also bringe mir zuerst einmal einen Wiener Wachmann, der sich noch keines Übergriffes schuldig gemacht hat!" — Der Teufel suchte lange, lange — vergeblich. Endlich aber fand er die gewünschte Rarität in der Gestalt eines Neulings, welcher seine Uniform vor einer Viertelstunde zum ersten Mal angelegt hatte. „Nun verschaffe mir die zwei Heller wieder, die ich vor einem Jahr an Personal-Einkommensteuer zuviel bezahlt habe!" Der Teufel runzelte die Stirne, ging aber frisch aus Werk. Mit Steuergesetzbuch und Zahlungsauftrag lief er von Steueramtsfiliale zur Steueradministration, von dieser zur Finanzlandesdirektion, nahm Audienz beim Finanzminister, entfesselte sogar mit Hilfe seiner Freunde, der Klerikalen, einen Sturm im Parlament und hatte endlich nach fünf Jahren mit einem Aufwand von (...zig Kronen an Stempeln) die zwei Heller wiedererlangt. Müde und gebrochen brachte er sie seinem Peiniger. „Jetzt nur noch eine Kleinigkeit! Bringe mir einen Bissen von einem Nahrungsmittel, welches bei uns noch nicht besteuert ist!" Da schüttelte sich der Teufel vor Wut und schnaubte: „Verdammter Hund! Alles kann ich dir bringen, aber das kann in Österreich auch der Satan nicht!"— Sprach's und verschwand unter fürchterlichem Schwefelgestank.

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