Freitag, 9. November 2018

Von der Schattenseite der "guten alten Zeit".


Die Kronen Zeitung berichtete am 16.12.1926 vom Freispruch einer Kindesmörderin in Hinterstoder. Es zeigt einen Einblick in das Leben der Knechte und Mägde in dieser Zeit.

"Am 5. November holte der Knecht Franz R. (Namen geändert) die Hebamme Anna R. in Hinterstoder auf das Bauerngut seiner Dienstgeber. Während des Weges teilte er bereits mit, dass die Geburt schon vorüber und das Kind bereits tot sei. Die Hebamme  begab sich zur Kindesmutter, einer Magd am Hof, besichtigte das tote Kind und teilte hernach dem Gemeindearzt den bedenklichen Todesfall mit. Der Arzt ging mit einem Gendarm in das Bauerngut, besichtigte die Leiche des Kindes und kam zur Anschauung, der Tod sei durch Erstickung eingetreten. Die Magd erzählte nun, das Kind habe nach der Geburt nur einige "Schnapper" getan, offenbar sei es an Erkältung gestorben. Die Obduktion der Kindesleiche ergab, dass die Erstickung durch Verschließung von Mund und Nase eingetreten war. Vor dem Untersuchungsrichter gab die Magd an, dass sie von ihrem Vetter her schwanger sei, über ihre Schwangerschaft habe sie aber mit niemandem gesprochen.
Heute war die 26jährige Dienstmagd wegen Kindesmordes vor dem Schwurgericht in Steyr angeklagt.
Im Verhör erzählte die Angeklagte, dass sie schon ein uneheliches Kind hat. Im Jänner wurde sie dann von ihrem geisteskranken Vetter, einem Dorftrottel, geschwängert. Über die Tat selbst gibt die Angeklagte eine neue Darstellung.
Vorsitzender.: Also, sie haben immer gesagt, dass sie das Kind nicht absichtlich getötet haben.
Sie gaben der Vermutung Ausdruck, das Kind sei durch zu starkes Zudecken erstickt. Das ist aber ausgeschlossen.
Angeklagte: Na ja, den Finger habe ich ihm auch in den Mund gesteckt.
Vors.: Das ist ganz neu. Warum haben sie das getan? Angekl.: Das Kind hat soviel geschrien, ich hab Angst gehabt, dass es sich überschreit. Lutscher habe ich keinen gehabt, so habe  ich ihm den Finger in den Mund gesteckt. (Nach längerem Schweigen): Ich werd vielleicht dem Kind die Nase auch zugehalten haben.
Vors.: Damit das Kind stirbt?
Angekl.: Umbringen hab ich den Wurm bestimmt nicht wollen, ich hab` sogar a Freud gehabt, weil es ein Dirndl war.
Vors.: Der Kindesvater ist nicht ganz "beinander". Ist es vielleicht möglich, dass sie von einem solchen kein Kind haben wollten?
Angekl.: Ach das hat mir nichts gemacht, ich bin ja selber nicht "beinand". Ich hab mir nichts gemerkt. Wie ich einmal in einem Wirtshaus ausgeholfen hab, wieviel Bier ich bringen muss. Und mit dem Schilling verwechsle ich immer die Kronen. (Heiterkeit im Saal)
Vors.: Sehr, sehr auffällig ist es, dass sie die neue Verantwortung erst heute vorbringen.
Angekl.: Der Gendarm war so "gach" (schnell).
Vors.: Und dann, warum haben sie keine Hebamme verständigt?  Angekl.: Ich hab es ja erst für ende November erwartet.
Vors.: Und ihre Angehörigen haben sie auch nicht verständigt. Angekl.: Ich verbeiß (verschweige) am liebsten alles.
Staatsanwalt: Nicht einmal mit dem Kindesvater, der doch am gleichen Bauernhof, unter dem gleichen Dach wohnt, hat die Angeklagte darüber gesprochen.
Die Geschworenen beantworteten die Frage auf Kindesmord mit 11 Nein, die Frage auf fahrlässige Tötung mit 6 Nein, die Frage ob die Angeklagte schuldhaft ohne Beistand geboren habe, mit 8 Ja, worauf der Schwurgerichtshof die Angeklagte nur wegen des letzten Deliktes zu 14 Tagen Arrest verurteilte. Die Strafe ist durch die Untersuchungshaft schon verbüßt".

Ein Baby bald nach der Geburt

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen