Freitag, 22. Mai 2020

Als Touristen die Berge entdeckten.

Bergsteigen vor rund 150 Jahren war schon alleine wegen der alpinen Ausrüstung und der markierten Steige, die es heute gibt, nicht mit damals zu vergleichen. Man hatte Schuhe mit Ledersohlen und Eisennägeln. So trittsicher wie heute, mit zeitgemäßen Bergschuhen und Ausrüstung konnte man die Berge nicht besteigen. Es war deshalb vernünftig, sich einem erfahrenen Bergführer anzuvertrauen, der wusste wie man von einer Hütte zur anderen gelangte.
  
Bereits gegen Ende 1800 gab es ausgebildete und geprüfte Bergführer mit Führerbuch und Standesabzeichen in Hinterstoder. Der erste geprüfte Bergführer im Stodertal war Georg Auer (geb. 1860, gest. 1919).

Es gab aber damals Einheimische die sich durch Führungen etwas dazu verdienen wollten und die durch Unkenntnis ihre Schützlinge manchmal falsch einschätzten. Bergtouren mit solchen Führern nahmen gelegentlich ein böses Ende wie das "Grazer Volksblatt" am 7. April 1877 berichtete.

Zum besseren Verstehen wurde der Artikel etwas gekürzt und in die heutige  Schreibweise übertragen.



Aus der nord-westlichen Steiermark. Wink für Touristen.
Am 10. September vorigen Jahres (1876) brachen zwei Wiener Touristen, die Herren Kaindl und Fritsch, von Aussee auf, um über das „Todtengebirge" nach Hinterstoder bei Windischgarsten in Oberösterreich zu gehen.
Beim „Brandwirth" am Grundlsee requirierten sie einen Führer. Der Führer geleitete die Herren über das ganze Gebirge und jenseits desselben auch noch den als übel bekannten „Salzsteig" hinab, dann sagte er, dass es so der Brauch sei und er es fast immer so hielte, falls er Touristen hier herübergeführt, dass er an dieser Stelle umzukehren pflege, weil man sich von hier nach Hinterstoder nicht mehr vergehen könne.
Die Herren zahlten nun dem Führer den begehrten Lohn per 7 fl. (Gulden), gaben ihm einen großen Theil ihres Proviantes und entließen ihn, nachdem sie von halbdrei Uhr Nachmittags am 10., bis gegen Mittag am 11. September unter seiner Obhut gewesen waren und durch seine Vermittlung über Nacht in einer Almhütte sehr freundliche und gute Aufnahme gefunden hatten. Die beiden Touristen waren aber nach Entlastung des Führers schnell so unglücklich, dass sie sich verirrten, in Folge dessen Fritsch über eine Felswand hinabstürzte, deren Höhe nach Messung von Forstbeamten 35 Klafter (rund 60m) beträgt. Der Abgestürzte blieb zwar am Leben, war aber über und über mit schweren Wunden bedeckt, konnte nur höchst umständlich nach dem noch drei Stunden entfernten Hinterstoder gebracht werden und musste dort wochenlang in Vogels Gasthaus (Schmalzerhof) auf die Erlangung jenes Gesundheitszustandes warten, der es ihm erlaubte, nach Wien heimzureisen.
Da Herr Karl Fritsch Mitglied des „Oesterreichischen Touristen-Klub" ist, so reichte der genannte Touristen-Klub gegen den Bergführer, den er „Stefan Hopser, vulgo Krirg beim Grundlsee" nannte, bei der Bezirkshauptmannschaft Gröbming eine Klageschrift ein mit der Bitte: „Die löbliche k. k. Bezirkshauptmannschaft geruhe über obigen Vorfall sofort die nöthige Amtshandlung einzuleiten und nach konstatierter Schuld des Führers Hopser (Krirg) gegen denselben die verdiente Strafe zu verhängen". Auf dieses berichtete unterm 22. März d.J, Zahl 2999, der Herr Bezirkshauptmann von Gröbming an den „Oesterreichischen Touristen Klub" in Wien, dass laut Erhebungen durch das k. k. Bezirksgericht in Aussee es nicht der Bergführer Stefan Hopser war, welcher die Touristen K. Fritsch und I. Kaindl aus Wien auf ihrer Wanderung vom Grundlsee nach Hinterstoder über das Todtengebirge geleitete, sondern dessen Bruder, Anton Hopser, ebenfalls "Gastwirth", welcher nicht als Bergführer bestellt ist. Stefan Hopser war damals außer Hause.

Es entfiel daher auch eine eventuelle Amtshandlung im Sinne der „Bergführer-Ordnung". Anton Hopser wurde bezirksgerichtlich von der Anklage wegen Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens nach & 335 St.-G. frei ­ gesprochen.
Zum Schlusse schreibt der Herr Bezirkshauptmann: „Zur Vermeidung derartiger Reklamationen dürfte es angezeigt sein, dass die Touristen, welche in der That Führer beanspruchen, stets auch von der Eigenschaft derselben als Bergführer sich Überzeugung verschaffen." Bekanntlich haben die befugten Bergführer ein amtliches Bestellungs-Dekret in ihren Händen, womit sie ihre Brauchbarkeit dokumentieren können.


Georg Auer, der 1.geprüfte Bergführer von Hinterstoder mit
Bergführerabzeichen 

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