Freitag, 15. Mai 2020

Eine Floßfahrt vor rund 100 Jahren

Prof. Gregor Goldbacher aus Steyr (geb.1875, gest.1950), der auch oft in Hinterstoder war, erforschte Geschichte und Heimatkunde in der Stadt Steyr und entlang der Nebenflüsse Enns, Krems und der Steyr.
In einem Zeitungsartikel in der Oberdonau-Zeitung vom 22. August 1943 berichtete er über das Flößerhandwerk und von einem Holztransport auf Enns und Salza. Der Artikel wurde etwas gekürzt und an unsere Zeit angepasst.

Es ist ein schönes Bild, wenn ein „fünfspanniges“ Floß, gelenkt von stämmigen Flößern, seine kostbare Holzlast ruhig und doch majestätisch auf dem grünen Wasser der Enns zu Tal fährt. Die Flößerei selbst aber war immer und ist heute noch ein beschwerliches, aber sowohl volkskundlich als volkswirtschaftlich bedeutsames Handwerk.
Wenn im Winter unsere Flüsse niedrigen Wasserstand haben, so finden wir die Flößer durchaus nicht untätig, sondern in den verschneiten Bergwäldern als tüchtige Holzknechte beschäftigt. In den langen „Holzriesen“ (rutschbahnartige Rinne) sausen die mächtigen Stämme zu Tal, womöglich nahe an das Flußufer, wo sie bei Frühlingsbeginn auf den sogenannten „Gstötten“, flachen, sandigen Uferstellen, zu Flößen gebunden werden, vor allem gegenüber Weißenbach und beim berühmten „Kasten“ in Kastenreith.
Unvergesslich jedoch wird jedem Teilnehmer eine Floßfahrt auf der steirischen Salza bleiben, die unweit Mariazell entspringt und als Wildwasser mit starkem Gefälle das romantische Tal durchrast, um sich dann bei Großreifling mit der Enns zu vereinigen.
Die Salzaflöße sind wegen der Enge des Flußtales nur „dreispännig“, das heißt, drei Männern, dem „Fahrer“, vorne in der Mitte, dem „Störer" hinten rechts, der die Steuerung des Floßes inne hat, und dem „Stutzenknecht“, ist die wertvolle Ladung anvertraut. Die Flößer verbinden das „Jochholz“ nur durch große Holzpflöcke mit den „Blochen“ und die langen Ruder sind mit „Wied“, zähen Fichtenästen befestigt, denn das ganze Fahrzeug muss sozusagen elastisch sein und dem Stoß und Druck der vielen Felskugeln im Flußbett nachgeben können. Die wilde Fahrt beginnt unweit Weichselboden bei der Breszeni-Klause, welche die Salza staut und bei Beginn der Fahrt „geschlagen"(geöffnet) wird, um mit dem entstehenden Wasserschwall dem Floß den nötigen Antrieb zu verleihen.

Es ist frühmorgens, die drei Männer ziehen die verwitterten Filzhüte über, ein kurzes stummes Morgengebet und nun beginnt eine stundenlange tolle Fahrt auf dem schäumenden Wildwasser, welche an die drei Männer ein Höchstmaß an Kaltblütigkeit und Geschicklichkeit stellt, aber auch den Fahrgast oft vor die Frage stellt: „An welchem Felsblock werden wir zerschellen“? Bei dem seichten reißenden Wasser, dessen Ufer gar oft steile Konglomeratfelsen bilden und dessen Flußbett von „Steinkugeln“ aller Größen wimmelt, ist an ein Schwimmen gar nicht zu denken. Anfangs waren wir entsetzt, wenn das Gefährt scheinbar direkt an den Uferfelsen prallte, aber schließlich drehte es sich knirschend doch wieder in die Stromlinie. Am Floß war ein Stamm etwas gehoben als unser Sitzplatz und wenn kritische Stellen nahten, rief uns der Fahrer zu: „Habts enk an!“, was wir getreulich befolgten. Das liebliche Wildalpental zog vorüber und in Palfau gab es Mittagsrast, welche diese wahren Künstler der Wasserfahrt wohl redlich verdienten. Aber vor der Mündung in die Enns ist noch ein besonders heikler Punkt zu überwinden, ein unter Wasser befindlicher alter Rechen, wo das ganze Floß unter wild schäumender Gischt verschwindet, uns mit Wasser überspritzt und nur langsam wie die „schaumgeborene Aphrodite“ empor taucht. An der „Gstötten" in Weißenbach erfolgt die Landung. Oberhalb Großreifling ist die Enns mit Flößen nicht mehr befahrbar, so dass Weißenbach der eigentliche Floßhafen genannt werden muss.

Heute fahren wir „fünfspannig“, das sieht so aus: ­ Die wichtigsten Plätze an den 5 Ruderstangen sind die „Fahrer", die die Verantwortung inne haben, und der „Störer"(1+2), dem die Steuerung anvertraut ist. Das Ruder nimmt der „Stutzenknecht“(3) ein, welcher das Floß bei der Landung auffangen und befestigen muss; der vierte Platz wird vom „Wildbahner“(4) eingenommen und ist meist für den Anfänger bestimmt; der Ruderplatz (5) heißt die „Lauspröß“, der einem Helfer zukommt.



Viel eindrucksvoller als es vom Waggonfester aus möglich ist, kann man auf der beschaulichen Floßreise die Schönheit des Ennstales und seiner anschließenden Bergwelt genießen. Schon gleiten wir bei der Mündung der steirischen Lausa, wo einst die vom Steyrer Ratsherrn Winkler 1541 erbauten Kesselhämmer pochten, an der Landesgrenze vorüber und lassen uns nun gerne vom Wildbahner auf all die Merkzeichen am Fluss aufmerksam machen, welche für die Fahrt von Wichtigkeit sind. Stückweise ist noch der 1571 von dem berühmten Gasteiger erbaute Schiff- oder Treppelweg erhalten, wo die Pferde im Schiffszug den Erzbergknappen die Lebensmittel zuführen mussten und auf der Eisenstraße stehen noch die großen Einkehrwirtshäuser für die Schiffsknechte und die Fuhrleute. Mit welcher Sicherheit führt uns der Störer durch die vielen Stromschnellen, von den Flößern „Furten“ genannt, vorüber an steilen Uferwänden, „Kasstellen“, so dass oft die Bloche unter uns sich heben und senken wie bei einem Erdbeben. Lachend erzählt uns der Wildbahner von der „Kripp“, wo oft infolge einer kreiselnden Strömung das Floß stundenlang herumgedreht wird, wenn der Fahrer die gefährliche Stelle übersieht. Er zeigt uns ein Felsloch, die „Siebenstundenlucken“, von wo aus noch sieben Stunden Fahrt bis Steyr sind, weist auf einen Block im Flussbett...“dem Dan’dl sein Suppenhäfen“, weil der Bauer Dandl ein sehr großer Suppenfreund war. Das Floß zwängt sich durch die „Tormäuer", poltert über die Steinkugeln der gischtspritzenden „Wagnerfurt" und im Uferfelsblock des „Bandlmannbinkls“ ist noch die tiefe Seilfurche zu sehen, die beim Schiffszug im Laufe der Jahre entstanden ist. 
Etliche Marterl an der Eisenstraße bei Kastenreith zeigen, wie gefährlich die Fahrt durch die Klippen des sogenannten „Flößerfreithofes“ (Flößerfriedhofs) ist, wo schon manches Floß zerschellt und mancher wackere Flößer Opfer seines harten Berufes geworden ist.
Bald können wir dem sagenumwobenen Schieferstein unseren Gruß emporschicken, aber schon gleitet die „Perle des Ennstales“ vorbei, unser Floß „rumpelt“ durch den „Backofen“. Der Wildbahner erzählt uns vom „Goldgräberhaus“ (Bauernhaus Goldgruber), aus dem Trattenbachtal, am Fuß des fünfzackigen Schobersteins, klingen die Hämmer und in der „Bäckerfurt“ schlingert und rollt unser Fahrzeug, als wollte es uns seekrank machen. Auch die Klippen der „Zwickelwehre“ müssen noch überwunden werden und wenn bei Dürnbach der „Ochs trinkt“, das heißt, eine Felsbildung am Ufer ins Wasser reicht, dann kann man dem „Wolf über die Höh“ fahren, nämlich über die Steinhindernisse. Nun droht den Flößern nur noch der „Waschkittel“ (nicht zu viel plaudern) und schon gleiten wir am Wunderbau Carlones in Garsten vorüber. Von hoch droben leuchtet das Ulricher Turmkreuz und der weiße Steinfinger des gotischen Steyrer Münsterturmes kündet das Ziel der schönen Wasserreise. Der „Störer“ steuert dem Ortskai zu, der „Stutzenknecht" reißt seine Ruder vom „Sturl“, springt ans Ufer und wirbelt eilends das Seil um den „Reitstecken“, macht einen „Fletzerklang" (Knoten), das Fahrzeug bäumt sich noch einmal auf, die Landung ist gelungen. Viele Flöße fahren noch ennstalabwärts bis Au unterhalb Mauthausen, einem großen Holzumschlagplatz, wo sie dann, zu zehn oder zwölf vereinigt, der Nibelungenstrom (Donau) langsam und schier feierlich zur Stadt der Lieder (Wien) oder gar in Ungarns schöne Hauptstadt weiterträgt.
G. Goldbacher.






1 Kommentar:

  1. die salza mündet in großreifling in die enns, nicht in großraming lg fritz floßmeister

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