Kommt man nach Hinterstoder, so fällt dem
geübten Auge ein paar hundert Meter über dem Dorfkern eine herrschaftliche
Villa ins Auge, deren vornehme Schönheit Formen der alpinen Architektur mit
denen eines Chalets und einer italienischen Villa mit großer Veranda vereint,
wie man sie von den Bildern des Schweizer Malers Arnold Böcklin kennt. Womit
wir bei der Datierung schon in etwa richtig liegen. Das Prielerhaus, so ist der
Name der Villa, wurde 1906/1907 für das wohlhabende Ehepaar Hugo und Anna
Bachmann von dem ebenfalls aus Wien stammenden Architekten Gustav Richter
erbaut. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg sollte Bauen noch zur
Verschönerung der Landschaft beitragen und so läßt sich das Prielerhaus auch
als gern genutzter architektonischer Blickpunkt auf Bildern des berühmten
Alpenmalers Edward Compton ausmachen.
Bachmanns hatten schon 1905 als ersten
Schritt eines der ältesten Stoderer Bauerngüter, den überschuldeten Prielerhof,
mit zugehörigen Gründen als ausgedehntes Jagdrevier erworben. Schon bald
genügte das große, aber einfache
Bauernhaus den Komfortansprüchen des Ehepaars nicht mehr und so ließen sie in
Sichtweite ein neues Domizil errichten. Die Annenvilla, wie sie das Prielerhaus
zunächst nannten, wurde aufwendig mit vollständigem Inventar aus Zirbenholz
versehen, das jenseits des Phyrn-Passes in Liezen hergestellt wurde. Doch schon
wenige Jahre später verkaufte das Ehepaar Bachmann ihr gerade erst errichtetes Refugium.
Eigentümerin wurde im Jahre 1909 Theodora
Gräfin von Kottulinsky, eine geborene Freiin von Mayr-Melnhof, einzige Tochter des
Gründers des bis heute in Österreich bedeutenden Industrie-Imperiums.
Systematisch erwarb die Gräfin in den Folgejahren weitere Höfe und Ländereien
im Stodertal hinzu und formte auf diese Weise aus dem Jagdgut der Bachmanns
einen umfangreichen forst- und landwirtschaftlichen Betrieb, der sich im Kern
bis heute im Besitz ihrer Familie erhalten hat.
Gräfin Kottulinsky hatte keine Kinder, sodass
sie der ältesten Tochter ihres Bruders, Marie, im Jahre 1921 ihre Stoderer
Besitzungen einschließlich des Haupthauses - dem Prielerhaus - übertrug. Marie
Freiin von Mayr-Melnhof hatte bereits 1904 den uradligen Grafen Friedrich-Wend
zu Eulenburg und Hertefeld geheiratet. Eine seltene österreichisch-preußische
Hochzeit von seinerzeit besonderer politischer Bedeutung, war der Vater des
Bräutigams, Fürst Philipp zu Eulenburg, doch enger Vertrauter des Deutschen
Kaisers Wilhelm II., wie auch des österreichischen Kaisers Franz Joseph, der
den langjährigen preußischen Botschafter in Wien besonders schätzte.
Aus dieser Ehe von Marie mit Friedrich-Wend,
dem späteren II. Fürsten zu Eulenburg, gingen die Kinder Ingeborg und Wend
hervor. Wend sollte dereinst Nachfolger seines Vaters auf dem Hauptbesitz
Liebenberg im Brandenburgischen und am Niederrhein werden, die Stoderer Güter
hingegen waren - wie zuvor bei seiner Mutter Marie - zunächst für die weichende
Erbin, also seine Schwester Ingeborg, vorgesehen.
Mit Ende des Zweiten Weltkrieges gingen
allerdings alle ostelbischen Güter der Eulenburgs in Brandenburg, Ostpreußen und
auch Schlesien verloren.
Aufgrund des Verlustes der Heimat im Osten
und der den durch Krieg zerstörten Besitzungen am Niederrhein kam dem Stoderer
Besitz plötzlich eine unvorhergesehene Bedeutung für die Eulenburg`sche Familie
zu.
Immer schon wurde das Stodertal von der
Familie geliebt, von Klein auf erkundeten Jung und Alt die wundervolle
Bergwelt. 1945 jedoch wurde Hinterstoder zu einer Art Rettungsinsel, auf der
sich die versprengten Teile der Familie wieder sammeln konnten. Doch erst 1952
endete die fast zehnjährige Zwangseinquartierung von Flüchtlingen im
Prielerhaus und es dauerte noch bis 1956 bis Fürstin Marie, seinerzeit durch
Heirat zunächst „Reichsdeutsch“ geworden, die drohende alliierte Enteignung und
spätere Treuhandverwaltung ihres Gutes endgültig aufheben konnte.
Dem Fürstenpaar waren noch glückliche Jahre
bei Ihren Aufenthalten im Stodertal beschieden, in denen der Gutsbetrieb mit
vielen angestellten Stoderern in voller Blüte stand.
Schlusspunkt dieser Ära bildete der Tod von
Fürstin Marie 1960 und ihres Mannes Friedrich-Wend drei Jahre später. Der Besitz
wurde bereits nach Ableben der Mutter unter den Kindern Ingeborg und Wend
aufgeteilt. Erstere erhielt als Hauptwohnsitz, wie vorgesehen, das von ihr
schon seit den 1930er Jahren bewohnte Griesserhaus und den größten Teil und Kern des
Betriebes, der bis heute den Prielerhof und einen grossen Eigenjagdbezirk mit ausgedehnten
Forstflächen rund um den Kleinen Priel umfasst. Für ihre sechs Kinder aus den beiden Ehen mit dem Baron von Engelhardt und Carl-August von Schoenebeck
errichtete Ingeborg noch vor ihrem Ableben im Jahre 2000 eine Privatstiftung,
die sie, vielleicht etwas irreführend, „Privatstiftung Eulenburg und
Hertefeldscher Erben“ nannte.
Ihr Bruder Wend ging andere Wege. Ihm fielen
1960 das Prielerhaus und die Eigenjagd der Klinseralm, das sogenannte Spitzmauer-Revier, zu. Sein Erbteil blieb bis heute ungeteiltes Privateigentum,
das er nach seinem Tod 1986 an seinen einzigen Sohn Philipp vererbte – wie er
auch seine besondere Liebe zu Prielerhaus und Stodertal an die nachfolgenden
Generationen weitergab.
So kommt es, dass eine brandenburgische
Familie mit ostpreußischen Wurzeln und Besitzungen am Niederrhein seit rund 100
Jahren das oberösterreichische Hinterstoder als selbstverständliche Heimat und
wichtigen Teil der familiären Identität versteht. Der Urenkel des Fürsten
Friedrich-Wend, Siegwart Graf zu Eulenburg und Hertefeld, jüngerer Sohn von
Philipp, ist seit 2007 gegenwärtiger Eigentümer von Prielerhaus und Klinseralm.
Die Villa wurde von ihm und seiner Frau Franziska über Jahre hinweg einfühlsam
restauriert. Sie ist damit wieder - ohne jeden Anflug von Nostalgie, sondern "voller Gegenwart" - einer der herausragend schönen Blickpunkte des Stodertals,
wie schon auf den Gemälden Comptons.
Graf Friedrich Wend zu Eulenburg und Hertefeld und Freiin Marie Mayr von Melnhof ca. 1900 |
Theodora Gräfin Kottulinsky erwarb 1909 das Prielerhaus |
Prielerhaus |
Im Vordergrund das Prielerhaus, oberhalb von Hinterstoder |
Fürst Friedrich-Wend zu Eulenburg und Hertefeld, in der Mitte, links Öberförster Hans Diesenreiter, rechts Oberjäger und Bürgermeister Ignaz Herzog in der Spintrigler-Alm ca. 1955 |
Fürstin Marie zu Eulenburg und Hertefeld und Gatte Friedrich-Wend ca. 1955 |
Fürst Friedrich-Wend und Forstverwalter Oberförster Hans Diesenreiter |
Verleihung der Jagdauszeichnung "Goldener Bruch" an Fürst Friedrich-Wend |
Verleihung der Jagdauszeichnung "Goldener Bruch" an Fürst Friedrich Wend |
Fürst Friedrich-Wend zu Eulenburg und Hertefeld, Graf von Sandels ca. 1958 |
Wend Graf zu Eulenburg und Hertefeld Sohn von Fürst Friedrich-Wend und Fürstin Marie ca.1958 |
Philipp Graf zu Eulenburg und Hertefeld, Sohn von Wend mit seiner Familie 1973 |
Siegwart Graf zu Eulenburg und Hertefeld und Gattin Franziska 2017 |
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