Die Kronen Zeitung berichtete am 16.12.1926 vom Freispruch
einer Kindesmörderin in Hinterstoder. Es zeigt einen Einblick in das Leben der
Knechte und Mägde in dieser Zeit.
"Am 5. November holte der Knecht Franz R. (Namen geändert)
die Hebamme Anna R. in Hinterstoder auf das Bauerngut seiner Dienstgeber. Während
des Weges teilte er bereits mit, dass die Geburt schon vorüber und das Kind
bereits tot sei. Die Hebamme begab sich
zur Kindesmutter, einer Magd am Hof, besichtigte das tote Kind und teilte
hernach dem Gemeindearzt den bedenklichen Todesfall mit. Der Arzt ging mit
einem Gendarm in das Bauerngut, besichtigte die Leiche des Kindes und kam zur
Anschauung, der Tod sei durch Erstickung eingetreten. Die Magd erzählte nun,
das Kind habe nach der Geburt nur einige "Schnapper" getan, offenbar
sei es an Erkältung gestorben. Die Obduktion der Kindesleiche ergab, dass die
Erstickung durch Verschließung von Mund und Nase eingetreten war. Vor dem
Untersuchungsrichter gab die Magd an, dass sie von ihrem Vetter her schwanger
sei, über ihre Schwangerschaft habe sie aber mit niemandem gesprochen.
Heute war die 26jährige Dienstmagd wegen Kindesmordes vor
dem Schwurgericht in Steyr angeklagt.
Im Verhör erzählte die Angeklagte, dass sie schon ein
uneheliches Kind hat. Im Jänner wurde sie dann von ihrem geisteskranken Vetter,
einem Dorftrottel, geschwängert. Über die Tat selbst gibt die Angeklagte eine
neue Darstellung.
Vorsitzender.: Also, sie haben immer gesagt, dass sie das
Kind nicht absichtlich getötet haben.
Sie gaben der Vermutung Ausdruck, das Kind sei durch zu starkes
Zudecken erstickt. Das ist aber ausgeschlossen.
Angeklagte: Na ja, den Finger habe ich ihm auch in den Mund
gesteckt.
Vors.: Das ist ganz neu. Warum haben sie das getan? Angekl.:
Das Kind hat soviel geschrien, ich hab Angst gehabt, dass es sich überschreit.
Lutscher habe ich keinen gehabt, so habe ich ihm den Finger in den Mund gesteckt. (Nach
längerem Schweigen): Ich werd vielleicht dem Kind die Nase auch zugehalten
haben.
Vors.: Damit das Kind stirbt?
Angekl.: Umbringen hab ich den Wurm bestimmt nicht wollen,
ich hab` sogar a Freud gehabt, weil es ein Dirndl war.
Vors.: Der Kindesvater ist nicht ganz "beinander".
Ist es vielleicht möglich, dass sie von einem solchen kein Kind haben wollten?
Angekl.: Ach das hat mir nichts gemacht, ich bin ja selber
nicht "beinand". Ich hab mir nichts gemerkt. Wie ich einmal in einem
Wirtshaus ausgeholfen hab, wieviel Bier ich bringen muss. Und mit dem Schilling
verwechsle ich immer die Kronen. (Heiterkeit im Saal)
Vors.: Sehr, sehr auffällig ist es, dass sie die neue
Verantwortung erst heute vorbringen.
Angekl.: Der Gendarm war so "gach" (schnell).
Vors.: Und dann, warum haben sie keine Hebamme
verständigt? Angekl.: Ich hab es ja erst
für ende November erwartet.
Vors.: Und ihre Angehörigen haben sie auch nicht
verständigt. Angekl.: Ich verbeiß (verschweige) am liebsten alles.
Staatsanwalt: Nicht einmal mit dem Kindesvater, der doch am
gleichen Bauernhof, unter dem gleichen Dach wohnt, hat die Angeklagte darüber
gesprochen.
Die Geschworenen beantworteten die Frage auf Kindesmord mit
11 Nein, die Frage auf fahrlässige Tötung mit 6 Nein, die Frage ob die
Angeklagte schuldhaft ohne Beistand geboren habe, mit 8 Ja, worauf der Schwurgerichtshof
die Angeklagte nur wegen des letzten Deliktes zu 14 Tagen Arrest verurteilte.
Die Strafe ist durch die Untersuchungshaft schon verbüßt".
Ein Baby bald nach der Geburt |
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