Freitag, 18. September 2020

Sgraffitoschmuck in Stadt und Land

Prof. Gregor Goldbacher aus Steyr (geb.1875, gest.1950), der auch oft in  Hinterstoder wohnte, erforschte Geschichte und Heimatkunde in Steyr und dem Tal der Steyr. In einem Zeitungsartikel in der Oberdonau-Zeitung vom 21. Juli 1943 berichtete er über Sgraffitoschmuck in Steyr und dem Steyertal. 
Der Artikel wurde etwas gekürzt und an unsere Zeit angepasst.

Das große Stapelrecht Albrechts I. vom Jahre 1287 mit seinen Vorschriften über den Handelsweg nach Italien und den entsprechenden Mautfreiheiten für die Steyrer Handelsleute zeigt, dass also schon im 13. Jahrhundert ein recht lebhafter Verkehr und Warenaustausch zwischen Italien und den deutschen Landen bestand. Die unzähligen Eisenhämmer und Kleineisenindustrien, welche in Steyr ihren Mittelpunkt hatten und die auch aus den meisten Gebirgstälern des Enns- und Steyrtales ihre Erzeugnisse in alle Himmelsrichtungen schickten, hatten besonders in Venedig und Aquileja große Warenniederlagen und noch heute heißt ein mächtiger Palazzo am Canale Grande in Venedig, wo die Steyrer Messerer ihre Warenniederlage hatten, das Fondaco dei Tedeschi (Gebäude der Deutschen).
Nun hat scheinbar dies alles mit dem Sgraffitoschmuck nichts zu tun und dennoch musste es zur Erklärung seiner Herkunft erwähnt werden. Der Handelsverkehr nach Italien hatte eben sehr früh auch einen Gegenverkehr zur natürlichen Folge, da die Kaufleute wertvolle Erzeugnisse des sonnigen Südens: Wein, Seide, Südfrüchte u. a. einhandelten und heimbrachten. Sehr bald aber erkannten auch unsere kunstsinnigen Altvorderen mit Bewunderung die einzigartige Schönheit der italienischen kirchlichen und Profanbauten der Renaissance, und es war nahe liegend, italienische Baukünstler und Handwerker zum Besuch des kühlen Nordens zu veranlassen.
Als nun um die Mitte des 17. Jahrhunderts jene Blütezeit der großen Kloster- und Stiftsbauten anbrach und der Barockstil sich allgemein durchsetzte, waren es die berühmten Baumeister und Stukkateure der Familie Carlone (die Familie Karlone in Aflenz bei Törl stammt davon ab), welche in Verbindung mit anderen Italienern und dem heimischen Barockmeister Prandtauer jene festlichen kirchlichen Räume schuf, wie sie beispielsweise in St. Florian, Melk, Schlierbach, Garsten, um nur einige zu nennen, das Entzücken jedes Beschauers bilden. Diese Baumeister brachten auch entsprechend geschulte Handwerker mit und diese zeigten wieder ihre Kunstfertigkeit am Fassadenschmuck von Häusern in Stadt und Land durch Anbringung des Sgraffitoschmuckes. Ein seltsames Wort, das auf das griechische Wort „Schreiben" oder Zeichnen zurückgeht, wie wir es ja in sehr gebräuchlichen Fremdworten wie Photographie (Lichtschrift), Geographie (Erdbeschreibung), Lithographie (Steinschrift), Telegraphie (Fernschrift) und viele anderen wiederfinden.
Die Sgraffitozeichnungen findet man häufig an Fenster- und Türumrahmungen, Mauerkanten und ganzen Fassaden, wie beispielsweise an dem prachtvoll verzierten Bürgerhaus in Krems. Die Zeichnung wird zuerst auf die Mauerfläche aufgetragen, hierauf ein dem Ornamente entsprechender Teil ausgekratzt und das erhöht Gebliebene in lichtem Ton gehalten. Die Ornamente sind entweder geometrischer Art oder in schönen barocken Formen ausgeführt. Leider wurden sie häufig übertüncht und erst beim Abbröckeln der Tünche kamen sie in alter Schönheit und Frische wieder zu Tage; ja es konnte vorkommen, dass über eine mit schönen Sgraffitozeichnungen gezierte Hauswand eine andere, in späterer Stilart ausgeführte Wand sozusagen darübergelegt wurde, wie es zum Beispiel beim alten Hofkastnerhaus (ehemaliges Armenhaus), in Garsten zu sehen ist. Seltsam ist es, dass man an verhältnismäßig einsam gelegenen Bauerngehöften, wie im Mühlbachgraben, in der Laussa, in der Umgebung von Ternberg, z. B. beim Fallergut in Dürnbach, reichlichen Sgraffitoschmuck antreffen kann. Auch am Weg zum Riegel oberhalb Garsten trägt das Bauernhaus Mayr zu Werkgaden prächtige, noch recht frisch erscheinende Sgraffitozeichnungen. Wohl die älteste Verzierung dieser Art ist an einem kleinen Kellergebäude in Unterdambacb zu sehen, denn sie trägt die Jahreszahl 1596. Besonders reich mit Sgraffitozeichnungen verziert ist die Nordseite des schönen alten Schnallentores und die ganze Front des bekannten Innerberger-Speichers (städtisches Museum) in Steyr, wo auch mehrere Bürgerhäuser in der Enge diesen schönen Schmuck tragen, der allerdings unter grauer Tünche verborgen, erst seiner Auferstehung harrt. Am Hause Nummer 3 des Stadtplatzes wurde ein Fries in dieser Schmuckform freigelegt.
Da diese Hauszier immer mehr zu verschwinden droht, hat der Stadtbaumeister Stohl in Steyr an seinem Hause eine schöne Auslese dieser Formen angebracht, um so einen Begriff dieser alten Kunst früherer Handwerker zu vermitteln. Es ist bekannt, dass auch in vielen anderen Orten unseres Landes sich solcherart geschmückte Häuser befinden, weshalb diese kurze Schilderung bloß darauf hinweisen und den Wunsch aussprechen möchte, diese schönen Zierformen nicht zu übertünchen oder gar zu zerstören, sondern als Zeugen guter alter Handwerkskunst womöglich freizulegen und zu erhalten.                                               
Prof. G.Goldbacher




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