Freitag, 7. April 2023

Amüsante Anekdoten von "Seinerzeit".

Im Laibacher Tagblatt, im Linzer Volksblatt und im Prager Tagblatt  konnte man folgende Anekdoten lesen. Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

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Laibacher Tagblatt 13. Juni 1870
Pass-Höflichkeit.
Folgende amüsante Anekdote liefert einen würdigen Beitrag zu der vielgepriesenen Höflichkeit der Franzosen.
Ein Bürgermeister hat einer gewissen Herzogin einen Pass auszufertigen. Die Herzogin war reich, der Bürgermeister stand in ihren Diensten. Die Herzogin war auch ein wenig kokett und der Maire (Bürgermeister) bemüht, ihrer Eitelkeit zu schmeicheln. Zum Unglück war die Herzogin einäugig und der Maire einigermaßen darüber verlegen, wie er in dem Pass ihre Augen beschreiben sollte. Er trug nach kurzem Bedenken folgende Augenschilderung ein: „Augen – dunkel, schön, sanft und ausdrucksvoll. Eines derselben ist abwesend.“

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Linzer Volksblatt 7. September 1892
Die Franziskaner und der Obstdieb.
Ein originelles Geschichtchen wird von den „Tiroler Stimmen" aus Trient berichtet. Die dortigen Franziskaner merkten schon seit einiger Zeit, dass zu nächtlicher Stunde ihren Frühtrauben und Obstbäumen unwillkommene Besuche abgestattet wurden. Um dem Dieb auf die Spur zu kommen, spannten sie Fäden durch das Gras, die mit einer Läutvorrichtung in Verbindung standen. An einem der letzten Abende erhebt sich plötzlich im stillen Convent das verräterische Geklingel. Die Patres laufen in den Garten; der Obstdieb ist ihnen in die Falle gegangen. Aber wenn er schon bei den Brüdern Obst stehlen will, soll er auch das Zeichen der Frati (Brüder) an sich tragen. Man bringt ihn ins Refektorium (Speisesaal), setzt ihn auf einen Sessel, der Bruder Haarschneider schneidet ihm kunstgerecht eine große Tonsur auf den Hinterkopf, dann lässt man ihn laufen.
Anderen Tages war es einem Schustermeister der Stadt Trient in hohem Grade auffällig, dass sein Lehrjunge in der Werkstätte die Kappe am Kopf behielt. Derselbe entschuldigte sich, dass er einen fürchterlichen Schnupfen habe. Als aber der Meister trotz des Schnupfens die Kappe lüftete, fand er unter derselben die schönste Franziskaner-Tonsur.
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Ludwig Graf von Salm (geb.1885, gest.1944)

Prager Tagblatt 21. Mai 1925
Wir lesen in der „Bosnischen Zeitung": Graf Ludwig S. (gemeint ist wohl Salm), berühmt als Tennis-Champion und durch seine Ehescheidung von einer amerikanischen Multimillionärin, ist außerdem ein schneidiger Herr bei Frauen. Eines Tages sitzt er im großen Speisesaal des Südbahnhotels am Semmering und kokettiert ungestüm mit einer Dame, Gattin eines reichen Fabrikanten. Der ganze Saal ist Zeuge. Der Gatte – befrackt - fühlt die Blicke auf sich gerichtet und muss etwas tun. Er erhebt sich, schreitet auf den Tisch des Grafen zu und fragt ihn, weithin vernehmlich: „Was wünschen Sie?“
Darauf der Graf, ebenso laut: „Ein Soda mit Himbeer".

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Anatole France (geb.1844, gest.1924)
Französischer Schriftsteller
Literaturnobelpreis 1921

Prager Tagblatt 10. August 1911


Anatole France, der Dichter, wollte nach Mazedonien reisen, um an Ort und Stelle Studien über Philipp und Alexander den Großen zu machen. Als er sich von seinem Verleger verabschiedete, erlaubte sich dieser die Bemerkung: „Aber ich bitte sie, vergessen Sie nur nicht ein Gewehr!" „Ja, wozu denn?" antwortete der Dichter verwundert. „Natürlich, um sich gegen die Räuber zu verteidigen! Wissen Sie denn nicht, dass die ganze Gegend davon voll ist? Glauben sie mir, es ist durchaus notwendig, dass Sie ein Gewehr mitnehmen." „Ach nein," sagte Anatole France sanft, und schüttelte nachdenklich den Kopf, „das würden sie mir ja auch nur wegnehmen“.

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