Freitag, 12. Mai 2023

Sonderbare Geschichten

Im  Prager Tagblatt und im Tagblatt konnte man folgende Anekdoten lesen. Die Artikel wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.


Ferdinand Raimund (geb.1790, gest.1836) links 
 Volksschauspieler, Dramatiker 
Ignaz Franz Castelli (geb.1781, gest.1862) rechts
    Dichter und Dramatiker 

Prager Tagblatt 1. April 1914

Castelli hat die Geschichte von dem Freund erfahren, der sie selbst erlebt hat. Der ging nämlich eines Morgens spazieren und als er eben durch ein Gehölz wandelte, sieht er von weitem eine sonderbare Gestalt sich nähern. Sie war in einen großblumigen Schlafrock gekleidet, trug eine grüne Kappe auf dem Kopf, hinter jedem Ohr steckt eine Schreibfeder, aus jedem Sack quollen Päcke von Papier hervor, im Busen staken ein paar Bücher, eine Feldflasche hing an einem Band um den Leib und in einer Hand trug er einen dicken Stock, auf dem sich statt des Knopfes ein Tintenfass befand. Als die Gestalt näher kam, erkannte er in ihr Ferdinand Raimund und rief ihm entgegen: „Herr im Himmel! Raimund, wie sehen Sie denn aus?" „Wie soll ich denn ausschauen," antwortete dieser, „wenn ich auf den Bäumen sitze und dichte ?"

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Tagblatt 7. Oktober 1927
Um 1860 kam ein Mann regelmäßig auf die verschiedenen Pariser Versatzämter und lieh sich auf Silberbarren Geld. Natürlich prüfte man diese Barren, stellte ihr Gewicht und den Stempel fest und da der letztere den Wert der Silberbarren vebürgte, wurden sie ohne weiteres als Pfand angenommen. Im Hauptbüro bestätigte man die erste Beurteilung. Da der Mann aber immer wieder mit neuen Barren kam, fiel der Administration die große Anzahl auf. Man sandte sie daher an das Münzamt und entdeckte hier erst die Wahrheit. Sie bestanden nicht aus Silber, sondern aus einer Mischung von Blei, Antimon und Zinn. Aber diese, durch einen erfahrenen Gauner richtig zusammengestellte Mischung, konnten selbst erfahrene Schätzer wie die eines Versatzamtes täuschen. Man verständigte sofort sämtliche Versatzämter und verhaftete den Mann, als er wieder auf einen seiner Barren Geld leihen wollte.
Der aus guter Familie stammende gab zur Entlastung seiner Schuld an, dass er sich seit mehr als 16 Jahren mit Versuchen beschäftige um neue, bisher unbekannte Metallarten zusammenzustellen. Er experimentierte in einer ganz bescheidenen Wohnung, aber niemand hatte ihm noch bei der Arbeit zugesehen. Er verwahrte sich energisch gegen die Beschuldigung der bewussten Täuschung und behauptete, dass die Metallbarren aus einer Mischung bestünden, die wertvoller als Silber sei. Er schlug vor, kostenlos so viel Barren als gefordert würden unter der Bedingung herzustellen, dass das Experiment bei ihm stattfinde, nur in Gegenwart einer einzigen Person, die sich verpflichten müsste, strengstes Geheimnis zu wahren.
Das Gericht überlegte sich die Antwort sehr lange, wohl zu lange für den Verhafteten, denn als er sich eines Tages zu einem Verhör begab, entwischte er den Aufsehern und wurde nie wiedergesehen.

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Ferdinand Moissan (geb.1852, gest.1907)
Französischer Chemiker
1906 Nobelpreis für Chemie

Im Jahre 1919 behauptete ein gewisser Lemoine, dass ihm die Herstellung von Diamanten geglückt wäre. Man war geneigt ihm zu glauben, weil es um 1890 dem Professor Moissan von der Sorbonne, in einem von ihm selbst erfundenen Ofen, gelungen war, aus Kohlenstoff Kristalle zu lösen, welche die Härte und das Gewicht der Diamanten hatten. Nur waren diese Kristalle winzig klein und ihre Herstellung erwies sich als kostspieliger wie das Graben auf Diamantenfeldern.

Als Lemoine behauptete, Diamanten von der Größe wie sie die Juwelenhändler benötigen und zu weit geringerem Preis herstellen zu können, erregte diese Nachricht kolossales Aufsehen bei jenen, die mit dieser Entdeckung Geld zu verdienen hofften. Es waren schon von Haus aus reiche Leute und sie gaben ihm die Summe, die er forderte. Aber es stellte sich gar bald heraus, dass er nicht das geringste erfunden hatte, sondern nur ein ganz großer Schwindler war!
Da es immer Vertrauensselige geben wird, denen man fast alles weismachen kann, so müssen sich die Klugen schon damit abfinden, dass die Dummen nie aussterben werden.

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Madeleine-Sophie Arnould (geb.1740, gest.1802/3)
Französische Opernsängerin

Prager Tagblatt 20. November 1927
Die Stütze.
Der Graf de Lauragnais hatte wegen seiner kecken Angriffe gegen Ludwig XV. aus einem Lettre de Cachet hin eine lange Haft in der Zitadelle von Metz verbüßen müssen. Als er endlich nach Paris zurückkehren durfte, fand er Sophie Arnould, seine langjährige Freundin in den Händen eines Architekten. „Wie können sie sich zu einem Handwerker herablassen?" fragte der Graf entrüstet.
„Lieber Graf“, erwiderte die berühmte Primadonna „mein Ruf ist so baufällig, dass ich einen Fachmann brauche, um ihn zu stützen."

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