Freitag, 22. November 2024

Als vor 100 Jahren Touristen das Stodertal entdeckten.

In der Zeitschrift die "Moderne Welt" konnte man schon vor ca. 100 Jahren den mit Begeisterung geschriebenen  Artikel über unser Stodertal lesen. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst. 


Moderne Welt: Jahrgang 10, Heft 21 1929
Das Stodertal.
Viel zu wenige kennen dieses schönste aller Alpentäler! Vielleicht, weil es erst seit
einigen Jahren als Hochgebirgssommerfrische, Luftkurort und Wintersportplatz entdeckt worden ist, vielleicht, weil es ein wenig abseits der Heerstraße liegt. Von Linz zweigt die Bahn nach Selzthal ab. An freundlichen Orten im Kremstal geht es vorbei. 
Bei Klaus beginnt sozusagen erst die „Landschaft“. Immer höher werden die Berge, die immer näher an die wildpolternde, glasklare Steyr drängen und mit einem Male ist die kleine Schnellzugsstation Dirnbach-Stoder erreicht, in der das schmucke Postauto bestiegen wird, das nun an den steilen Nordflanken des Kleinen Priel vorüber den Weg in das Alpenparadies nimmt, das seinerzeit ängstlich von hohen Herren vom Fremdenverkehr abgeriegelt war, um die reiche Jagd, die auch heute noch viele anlockt, nicht zu stören. 
Nun geht es in Windeseile über eine vorbildlich schöne Autostraße durch die wilde Enge
der Steyr mit stets wechselnden großartigen Naturbildern, imponierende Gipfel und Kammerhebungen ragen aus den erstarrten Faltenbändern einstiger Sandbänke empor, tosende Wasserfälle stürzen herab, plötzlich wird das Tal weit und über einem wundervollen, sonnbeglänzten Kessel, den Obsthaine, bunte, blumenverzierte Bauernhäuschen, prächtige Villen, Gehöfte und der stürmisch rauschende Fluss beleben, schmiegen sich dichte, tiefdunkle Nadelwälder als grünsamtener Talar unvermittelt gegen den Himmel. Die pittoreske Barriere des unvergleichlich herrlichen Toten Gebirges, das in diesem gottbegnadeten Tal zu überirdisch schöner Geltung kommt, bildet eine märchenhafte Kulisse.
Die von der riesigen Felswüste in schroffen Wänden und Hängen, kaminartigen Rissen und Schluchten herniederbrechenden gigantischen Abstürze, die Kühnheit des Aufbaues der Felsendome, die wildzerklüfteten Karenfelder, die grausigen Schutthalden, die kahlen scharfkantigen Klippen und nicht zuletzt das wunderbare Farbenspiel, das den hellen Kalkhünen zwischen dem Rotgoldglanz der Sonne und dem Dunkelblau der Schatten hält, verursachen, dass die Kalkberge an Großartigkeit, an Abwechslung auch den höchsten Eis- und Schneethronen über sind.
Der Große Priel ist der unumstrittene, meistumworbene König des Hochplateaus. Mehr als zehn Anstiege führen zu ihm empor, auf dessen Spitze
(2515 m) der Blick vom Schneeberg bis zu den Karawanken, auf den Böhmerwald, das bayrische Flachland, über die Hohen Tauern bis zum Kaisergebirge frei wird. Ein 224o kg schweres Eisenkreuz— dessen Entwurf in einer Pension des Tales zu sehen ist— wurde von Einheimischen hinauf getragen. Nach ihm genießt der zweithöchste Berg, die Spitzmauer (2446 m) hohes Ansehen, deren kühngeformte Felspyramide in den Himmel sticht. Auch der Hochmöbling (2332 m) mit herrlichem Fernblick, das Warscheneck (2386 m), die interessanten Übergänge über das Tote Gebirge in das Steirische Salzkammergut, das Riesenplateau selbst mit den zahllosen Unterkunftshütten— das Tote Gebirge hat 5o Gipfel über 
2000m und 100 über 15oom— lassen es leicht begreiflich erscheinen, dass das Stodertal ein berühmtes Touristenstandquartier ist. Für den gemütlichen Spaziergänger sind schön gepflegte Wege vorhanden, zu verschiedenen Jausenstationen, durch das ganze fünf Kilometer lange Stodertal, das einem einzigen, unsagbar schönen Garten gleicht, den das Postauto bis zum letzten Winkel erschließt. Bequeme Waldwege führen auch nach Vorderstoder, zur Dietlhöhle und in die schon oft zum Malermotiv gewählte Polsterlucke mit dem romantischen Talschluss, vom Hohen Priel und der Spitzmauer gestellt, deren lichte Konturen sich im mitisgrünen Schiederweiher spiegeln.
Zu all den Vorzügen der Natur findet der Gast, der überall gerne gesehen ist, denn der Wert des Fremdenverkehres ist hier längst erkannt, auch überaus ansprechendes Wohnbehagen. Erstklassige, mit allem Komfort wie Zentralheizung, Badezimmer, Warm- und Kaltwasser, Tanzdiele, Liegehallen, Garagen usw. ausgestattete Häuser dienen dem verwöhntesten Ausländer. Einfache Gasthöfe und Pensionen entsprechen der Kasse des Mittelständlers, an den hier erfreulicherweise vielfach gedacht ist. In Bauernhäusern gibt es auch Sommerwohnungen mit Küchen und ganz bescheidene, aber nette reine Zimmer, kaum ein Haus, das nicht auf Fremdenbesuch eingestellt ist, ein Verdienst der rührigen Fremdenkommission des Stodertales, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, dieses herrliche Stück Alpenwelt dem großen Fremdenverkehr zuzuführen. Sie hat auch ganz besondere Pläne, die von einem Riesenhotel am Eingang der Polsterlucke, einem Strandbad inmitten des Tales träumen, nur fehlt es vorläufig, wie überall, am Geld! Aber sie tut auch jetzt schon das Menschenmöglichste. Es gibt stimmungsvolle Sommerfeste, eine Parkmusik, Tanzabende, an denen die schönen Mädchen und Frauen des Tales in ihrer kleidsamen Tracht mit der ,,Linzerhaube“ erscheinen. (Viele von ihnen aber sind zum Bubikopf übergegangen und auch der kurze Rock ist an der Tagesordnung.) Eine neue prächtige Turnhalle, die auch als Theater- und Kinosaal Verwendung finden wird, hat in ihrem Garten Turn - und Sportplätze. Überall arbeitet man für den fremden Gast. Bauernhäuser bauen Stockwerke auf, setzen Holzbalkons an, Gasthöfe errichten Dependencen, machen Speisesäle und Glasveranden, alles ist frisch „geweißigt“ und gestrichen. Sogar die großen Hofhunde der einzelnen Gehöfte und Gasthäuser sind anscheinend zu besonderer Liebenswürdigkeit angehalten, denn Lord, Bosko, Fricka und wie sie alle heißen, wedeln fremdenfreundlich, ja selbst das zahme Reh, Butzi, das sich ungeheurer Popularität erfreut, lässt sich ausnahmsweise streicheln.
Hinterstoder ist auf den Glanz hergerichtet. Alle seine Stammgäste, zu denen zwei deutsche Fürsten zählen, die nach dem Umsturz Besitztümer erwarben, Getreuen aus Wien, Beamte, Industrielle und Ärzte sind hier zur Erholung. Sie machen aber wenig Propaganda dafür, denn sie lieben das stille festlich geschmückte Tal eben wegen seiner Abgeschiedenheit, seines berückendschönen atemberaubenden Panoramas, seiner würzigen Bergluft und seines nervenstärkenden Klimas. Sie übersehen dabei aber, dass das Stodertal von solcher Ausdehnung ist, dass auch bei einem vielfachen Fremdenverkehr noch immer der Zauber seiner idyllischen Einsamkeit unberührt bliebe!


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen