Pfarrer Anton Hausjell |
US-Chiefchaplain (Militärseelsorger) Prälat J. Ruwer berichtete 1948 in "Life" über einen Besuch in Hinterstoder und bei Pfarrer Anton Hausjell.
"Ich erhielt eine Einladung meines höchstkommandierenden Generals zu einer Weekendfahrt. Es ginge in das unbekannte Österreich - hieß es, Zielpunkt Hinterstoder. Für uns Ausländer war der Name ein wenig ungeläufig und ich musste ihn auswendig lernen. Regenschwer hingen die Wolken in das Tal, als wir in dem winzigen Örtchen den Zug verließen. Autos führten uns weiter eine Waldstrecke bergan bis zu einem idyllisch gelegenen, mit allem Komfort, doch ganz im Stil der Gegend eingerichteten Jagdhaus (Jochems Villa). Ein alter verwitterter Waldheger begrüßte uns als Butler und Kammerdiener des Hauses. Auf meine Frage, wo ich hier am nächsten die Gelegenheit hätte, die heilige Messe zu lesen, wies er mich zu einer unweit gelegenen Kapelle (Dietlkapelle), die kaum für 30 Personen Fassungsraum hatte. Sie liege Jahr und Tag verlassen und nur ab und zu finde sich ein Wanderer zu einem kurzen Gebet ein - erzählte der Heger.
Ich fuhr nun nochmals nach Hinterstoder, um den Pfarrer um Meßrequisiten zu bitten. Ein unendlich gütig aussehender alter Herr mit schlohweißem Haar empfing mich. Ich stellte mich vor und bat um Entschuldigung, daß ich meine Priesterlegitimation nicht bei mir habe, aber er könne bei General Keyes anfragen, der wäre im Jagdhaus. Da meinte er treuherzig, er habe zwar meinen Namen noch nie gehört, doch glaube er meinem Wort - und er lud mich sofort zu einem Glas Wein und gutem Landbrot ein. Dann saß er vor mir, mit seinem alten, abgenützten Anzug mit großen Flickflecken an den Knien und Ellbogen und fing zu plaudern an. Ja er wäre ganz alleine hier, ohne Hilfsgeistlichen und da gäbe es jahraus, jahrein Arbeit trotz der winzigen Gemeinde. Wann er das letzte Mal in Wien gewesen sei, fragte ich. "Oh seit 1919 nicht mehr", war die lächelnde Antwort. "Aber mir geht die Stadt und die Welt da draußen, jenseits unserer Berge nicht ab, wissen´s Hochwürden R...?? - "R-u-w-e-r" buchstabierte ich - "Ja also Hochwürden Ruwer wissen`s, meine Pfarrkinder und ich leben hier bescheiden, aber wahrscheinlich viel glücklicher als die Leute da draußen, die sich vor Haß und Gier fast zerfleischen. Wir haben hier das Gefühl, dass wir unserem Herrgott ein Stückerl näher sind. Sehn`s, wenn man da zu unseren Bergriesen hinaufschaut, die nur einen Felsblock loszulassen brauchen um ein ganzes Dorf zu verschütten, wenn man durch unseren Bergwald geht und die Wipfel der hundertjährigen Baumriesen rauschen hört, dass es einem schier gruseln könnt, oder einem das Hochwild gar nicht scheu über`n Weg kommt, dann hat man so richtig das Gefühl, unserem Herrgott ein Stück näher zu sein. Man fühlt sich ganz klein in der wuchtigen Natur- und unsere Leut`sind auch demütiger als die Menschen in der Stadt".
Ich sah und staunte den alten Herrn an. Gab es das in der heutigen Zeit, wo sich die Menschen noch immer vor Haß zerfleischen? "Hat der Krieg nicht auch bei Ihnen eine arge Erschütterung hervorgerufen?" - "Wohl", meint er, "wir haben die Lebensmittelnot kennen gelernt; es wurden die Doktrinen der Hitlerlehre hereingetragen; aber es wirkte sich nicht mehr so furchtbar aus. Hier herein haben die abgeschossenen Pfeile schon ihre Schwungkraft verloren". Ich erzähle vom versteckten Kampf, der draußen noch immer tobe und ständig an den Grundfesten Österreichs rüttle.
Da meinte der alte Pfarrer, indem er bedächtig an seiner langen Pfeife sog: "Ich hab`eigentlich keine große Sorg`um unser Österreich. Unsere Menschen hat der liebe Gott mit sehr viel Herz und Gemüt ausgestattet. Diese beiden Edelsteine sind nur jetzt durch all die "nationalen" und "internationalen" Irrlehren ein bisserl verschüttet worden. Lassen wir den Österreicher erst wieder einmal zur Ruhe kommen, damit er seinen Wald, seine Berge und Seen und seinen Boden wieder richtig anschauen und lieben lernt, daß er glücklich und demütig zugleich über die Schönheit seines Landes, seines Österreichs ist, dann wird es auch nimmer so schwer sein, ihm den tiefen Glauben und die Liebe zu unserem Herrgott beizubringen - und dann Hochwürden, dann sind wir so glückliche Menschen, wie wir es vor langer, langer Zeit waren, stolz auf unser Land, unser zauberhaftes Österreich und glücklich in uns selber als brave Christen. - Jetzt muss ich aber noch ins Tal hinein, einen Krankenbesuch machen. Es war mir eine ganz große Freude, dass Sie mich besucht haben, Hochwürden!"
Am Sonntag Morgen stand ich vor der kleinen Bergkapelle. Ein winziges Türmchen mit einer Glocke saß auf dem Dach. Strahlende Sonne umfing uns, und die Berge zeigten sich in ganzer Wucht und majestätischer Schönheit; der Waldduft drang würzig und so schwer zu uns, dass mich nüchternen Amerikaner fast schon eine Stimmung packte, wie sie mir der alte Pfarrer geschildert hatte. Verstreut sahen wir einige Berghöfe und Holzknechthütten liegen. Lange bevor wir gekommen waren, hatte der Waldheger schon das Glöcklein geläutet, zum Zeichen, dass heute hier hl. Messe gefeiert werde. Nun schwang er es noch einmal. Wundersam klang der Glockenton und drang durch die Bergstille. Da kamen auch schon von allen Seiten die Betenden. An die 25 Personen hatten sich eingefunden, und ich konnte mit der hl. Handlung beginnen.
Als ich eine Stunde später zum Jagdhaus wanderte, musste ich immer wieder an die Worte des lieben Pfarrers denken und gab ihm mehr und mehr recht. Der liebe Gott hatte diesen Österreichern ein gesegnetes Land geschenkt. Wenn sie erst wieder in Treue und Glauben fest zu diesem Lande stehen, dann wird des Himmels Gnadenstrom nicht ausbleiben. Möge der Zeitpunkt bald kommen - sodass der fremde Besucher bewundernd ausrufen kann: Glückliches Österreich! Wie herrlich ist dein Land! Wie gut und stark sind deine Menschen!"
Ca. 1948 - links der Gasthof zur Post, rechts die Kirche . |
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