Der Binder Sepp, er ist leider schon vor längerer Zeit bei
einem Verkehrsunfall verstorben, war eine ungewöhnliche Persönlichkeit. Er war, man kann es ruhig sagen, ein Landstreicher und Lebenskünstler.
Es können sich bestimmt noch viele Stodertaler in gesetzterem Alter an ihn erinnern. Er war vom Schicksal hart behandelt worden. Trotzdem er von Geburt an durch eine Behinderung beim Gehen eingeschränkt war, war er zu seinen Mitmenschen stets freundlich. Die Härte seines Schicksals konnte sein sonniges Gemüt nicht trüben. Er fehlte in weitestem Umkreis bei keinem Fest und keiner geselligen Veranstaltung. Überall kannte man ihn und überall verstand er es Essen, Trinken und vielleicht ein paar Schillinge zu ergattern.
Es können sich bestimmt noch viele Stodertaler in gesetzterem Alter an ihn erinnern. Er war vom Schicksal hart behandelt worden. Trotzdem er von Geburt an durch eine Behinderung beim Gehen eingeschränkt war, war er zu seinen Mitmenschen stets freundlich. Die Härte seines Schicksals konnte sein sonniges Gemüt nicht trüben. Er fehlte in weitestem Umkreis bei keinem Fest und keiner geselligen Veranstaltung. Überall kannte man ihn und überall verstand er es Essen, Trinken und vielleicht ein paar Schillinge zu ergattern.
Zu seinen bemerkenswertesten Fähigkeiten gehörte
unkonventionelle List und ein unglaubliches Zahlengedächtnis. Der Arbeit ging
er tunlichst aus dem Weg. Nur wenn es ihm ganz schlecht ging bot er seine
Dienste bei Bauern an. Wenn er beispielsweise Holz hacken sollte, dann hackte
er einige Scheite, drapierte sie geschickt vor dem unbearbeiteten Holz, so dass es wie ein großer gehackter Haufen aussah und holte sich seinen Lohn ab. Die
meisten Bauern tolerierten seine listige Arbeitsweise, weil sie ihn kannten und
wußten, daß er ein armer Kerl war.
Durch sein unglaubliches Zahlengedächtnis wußte er alle
Ereignisse, Jubiläen, Feste und Geburtstage, speziell von großzügigen
Stodertalern, auswendig. Manchmal kam er freundlich grüßend in unser Haus, in
dem meine Mutter stets einen großen Blumenstrauß in einer Vase auf dem Tisch im
Vorzimmer stehen hatte. Plötzlich packte er den Strauß und war auch schon wieder draußen. Zur Erklärung rief er noch zurück:" Der Doktor hat Geburtstag". Er
wußte und baute darauf, daß das Gratulieren immer Trinkgeld einbrachte. Wenn es
nicht anders ging pflückte er die Blumen zum Gratulieren in fremden
Gärten.
Einmal bekam der Sepp von einem Gönner Bergschuhe spendiert,
weil bei den alten auf Grund der Risse und Löcher der Dreck ungehindert ein-
und ausrinnen konnte. Durch seine Gehweise latschte er verhältnismäßig bald
seine Schuhe kaputt. Mit einem prüfenden Blick auf die kaputten, ausgelatschten
Schuhe an Sepps Füßen meinte der großzügige Spender: "Sepp, du mußt aber
damit rechnen, daß dich die neuen Schuhe in den ersten Tagen ein bißchen
drücken und zwicken werden". "Das macht überhaupt nichts", strahlt
der Sepp über das ganze, unrasierte Stoppelgesicht und meinte beschwichtigend:
" Nein, macht wirklich gar nichts - ich ziehe die Schuhe sowieso erst zu
meinem Geburtstag übernächste Woche an"!
Der Sepp im Sonntagsgewand |
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