Georg Auer mit Bergführerabzeichen |
Am St. Peterstag bestiegen zwei junge Damen mit dem staatlich geprüften, damals sehr bekannten Bergführer Georg Auer, den Großen Priel. Über ihre Erlebnisse berichteten sie in der "Alpenpost" im Juni 1912.
Der Bericht ist etwas gekürzt und der heutigen Schreibweise angeglichen.
"Am St. Peterstag (29. Juni) früh regnete es in Strömen, respektive Schnürln. Meine Freundin Anna und ich wollten um halb sechs Uhr morgens aufstehen, um mit dem acht Uhr-Zug Richtung Selztal zu fahren. Dort wollten wir von Hinterstoder aus dem Großen Priel aufs Dach steigen, unserm Priel, den wir so oft von Linz aus sahen. Als wir jedoch zum grauen Himmel emporblickten, beschlossen wir bei diesem Wetter nicht fortzufahren und bis zum Mittagszug zu warten. Ich war etwas verstimmt. Ich hatte schon vor acht Tagen stundenlang Schuhe geschmiert, sollten die "Genagelten" in ihrem Fett nun noch acht Tage oder vielleicht noch länger im Müßiggang verharren? Ich war wie gesagt nicht sehr erbaut, ich wäre wahrscheinlich trotz des Regens abgefahren, jedoch die Rücksicht auf meine Freundin, die sich bis dahin nur mit milden Touren begnügt hatte, hieß mich, mich fügen.
Um acht Uhr regnete es noch mit derselben Stärke und Ausdauer. Um halb neun Uhr ging ich unter strömendem Regen zum Papierhändler um mir Briefpapier zu kaufen, denn wenn das mit dem Regen so fort ging, wollte ich diesen Nachmittag, um eine ablenkende Beschäftigung zu haben, alle meine alten Briefschulden abarbeiten. Während ich beim Papierhändler hundert Stück Briefpapier erstand, wurde der Himmel um eine Spur lichter. Ich bezähmte jedoch meine freudige Erregung und machte noch einen kurzen Besuch. Als ich diesen absolviert hatte und aus dem Tor des betreffenden Hauses trat, waren die Wolken schon stellenweise zerrissen und ließen das himmlische Blau durchschimmern. Ich eilte mit den vorläufig, Gott sei Dank, noch nutzlosen hundert Bogen Briefpapier in der Hand und ahnungsvoller Freude im Herzen heim zu und trommelte meine mit mir im selben Haus wohnende Freundin mit lockenden Worten aus ihrem Misstrauen gegen das Wetter auf und in die Bergschuhe. Anna kam bald in solchen Eifer, dass sie den grünen Hut viel früher als ich auf dem Kopfe hatte und mit demselben geziert auch das rasch bereitete Mittagmahl einnahm.
Sie konnte sich von ihrem Bergstock und Rucksack schon eine Stunde vor der Abfahrt nicht mehr trennen. Ich gab mich viel kühler. Aber insgeheim schlug mir das Herz stürmisch. Ich hätte am liebsten gejubelt und getanzt vor Freude, endlich einmal meine sonst so geliebte Stadt Linz verlassen und die Berge der Alpen mit all dem Reiz, der sie umgibt, wiedersehen zu können. Ich atmete auf, als wir um halb zwölf Uhr den Zug bestiegen, der uns in zwei Stunden nach Dirnbach-Stoder bringen sollte. Schon die Fahrt erschien mir wie ein Glück.
Je tiefer wir ins Gebirge kamen, umso schöner wurde natürlich die Landschaft. Es gibt viel Reizvolles an diesen Berghängen. Auch der Burgenzauber treibt dort seine Blüten. Da grüßte uns nächst Kirchdorf Altpernstein, das so schmal und vornehm reserviert ins Tal lugt, nächst Klaus das Schloss Klaus, der Herrschaft Schaumburg-Lippe gehörig, von dieser heute noch oft besucht, ein fester, freundlicher Bau. Die rasche Steyr, die das Tal durchbraust, treibt so manches Werk der weltbekannten Oberösterreichischen Sensenindustrie. So lieblich und romantisch aber auch die Bahnfahrt ist, man sehnt sich im Grunde doch nur nach dem Ziel und recht befriedigt steigt man in Dirnbach-Stoder aus. In beschaulicher Ruhe, von Menschen verlassen erwartete uns dort der Postwagen, der uns nach Hinterstoder bringen sollte. Meine Freundin beunruhigte sich etwas wegen dieser gänzlichen Abwesenheit postalischer Menschlichkeit. Nachdem ich ihr eine Weile tröstend zugesprochen hatte, erschien auch der Postillon mit der angeborenen Ruhe der Gebirgsbewohner. Wir setzten uns in den Wagen, er verstaute seine Kisten und Pakete und dann ging's vorwärts. Zu schnell natürlich nicht, denn es geht ziemlich oft bergauf. Mir tat es wohl, dass die Pferde nebst dem Gepäck und dem Postillon, der übrigens bei den größeren Steigungen den Wagen verließ, nur meine Freundin und mich zu ziehen hatten, die wir beide zum Glück keine gewichtigen Personen sind. So zogen wir die blau-grüne Steyr entlang. In den Wagen wehte eine köstliche Gebirgsluft. Die Sonne schien und die Waldvögel sangen.
Wir hatten uns bereits schriftlich den Führer Georg Auer bestellt. Der Postwagen führte uns bis zu dessen Haus, für gewöhnlich fährt er nicht so weit, diesmal hatte er jedoch im Hintertal Gepäckstücke abzugeben. Herr Auer empfing uns freundlich, er sah sehr ruhig und vertrauenerweckend aus. Seine Frau kochte soeben in einer schwarzen Küche den Kaffee. Sie arbeitete noch am offenen Herd, über dessen Feuer ein Kessel hing. Das ganze Haus war reinlich und einfach gehalten und mit altehrwürdigem Hausrat erfüllt. Herr Auer war nur darüber erstaunt, dass wir zwei Damen ganz ohne Herrengesellschaft waren, was wieder uns großen Spaß machte. Wir erklärten ihm, dass wir außer ihn vorderhand keinen Herrn brauchten.
Wir machten uns bald auf den Weg zum Schutzhaus. Unser Priel hatte zwar eine Haube auf, aber seine Nachbarn, der Kleine Priel und die Spitzmauer, waren gänzlich unbedeckten Hauptes und von dem schönsten blauen Himmel überwölbt. Wir wollten es wagen. Meine Freundin hoffte für morgen noch besseres Wetter, während ich bereits jetzt den festen Vorsatz gefasst hatte, auf den Hohen Priel zu steigen, bei jeder Witterung, auch unter den erschwerendsten Umständen.
Reizend ist die Polsterlucken am Schluss des Tales, ein anmutiger Wiesenwinkel, umgeben von den hohen, zackigen Spitzen der Berge. Verschönt wird dieses Bild noch durch den malerisch angelegten Weiher, eine Schöpfung des Hofbaumeisters Schieder. Als wir durch die Polsterlucke gingen, fiel ein leichter Regenvorhang neben der Spitzmauer ins Tal herein, und auf dem tiefgrünen Wasserspiegel schwankten große, weit voneinander entfernte Regenringe. Den großen Tropfen nach urteilten wir, dass der Regen nicht lange andauern würde, und wir hatten recht, er ging rasch vorüber. Die wilde Polstermauer geleitet uns zu unserer Rechten bis an das Ende des Tales und zum Beginn des Aufstieges. Schon hier konnte ich ein Wiedersehen mit Alpenrosen und tiefblauen Bergvergißmeinnicht feiern und zwei Wasserfälle, von welchen der eine ein reizender Schleierfall ist, machten das Andenken an meine Gebirgsheimat wieder so recht lebendig. Ich glaubte immer zu Hause zu sein und durch den heimatlichen Bergwald zu schreiten und musste mein Denken oft mit Gewalt zurechtweisen und mir erklären, dass ich nicht durchs Dachsteingebiet, sondern in der Prielgruppe steige.
Etwas vor acht Uhr langten wir im Prielschutzhaus an, das wir von einer freundschaftlichen Wirtschafterin umsichtig und zufriedenstellend beherrscht fanden. Nach einem kleinen Nachtmahl streckten wir uns auf unsere Matratzenlager aus. Wir waren für diese Nacht die einzigen Hüttengäste, was uns ganz angenehm war. In der Hochsaison soll die Hütte oft überfüllt sein. Als wir einschliefen schien sich das Wetter nicht so schlecht machen zu wollen. Meine Freundin hatte sich in den dunkelsten Winkel der Hütte zurückgezogen, ich hatte mich mit dem Kopf zum Fenster gelegt. Um zwei Uhr weckte uns heftiges Getrommel auf dem Dach, es regnete wieder. Ich warf einen Blick über mich zum Fenster hinaus. Die Wolken standen noch über den Bergen. Ich ließ mich nicht lange beunruhigen und hörte und sah bald wieder nichts mehr. Gegen vier Uhr erwachte ich wieder, meine Freundin war etwas aufgeregt, sie hatte nicht sobald wieder einschlafen können wie ich, der Regen hatte sie gestört. Jetzt waren die Berge bald klar, bald von umherirrenden Nebeln verhüllt, aber der Regen hatte aufgehört. Der Führer hatte gestern ausgesprochen uns vor vier Uhr zu wecken, jedoch er erschien jetzt noch nicht. Anna war indigniert über das Wetter. „Wir warten noch ein wenig", sagte sie, „wird es nicht besser, so gehen wir einfach ins Tal hinab und fahren heim." „Ich steige unter jeder Bedingung auf", erwiderte ich. „Nein, das tu ich nicht, das wäre eine Fexerei. Ich gehöre nicht zu den heroischen Touristen, die auf die Gipfel müssen. Das könnte gefährlich sein und schlecht ausgehen. Was habe ich davon, wenn ich tot unten liege?!" „Sei kein Frosch und erhebe Dich! Es kann gar nicht gefährlich sein, und ich komme lebend wieder herunter, das weiß ich!" „Woher weißt Du das?" „Das sagt mir mein inneres, alpines Ahnungsvermögen." So stritten wir eine halbe Stunde lang, wobei ich entschieden alpinen Charakter bewies.
Reizend ist die Polsterlucken am Schluss des Tales, ein anmutiger Wiesenwinkel, umgeben von den hohen, zackigen Spitzen der Berge. Verschönt wird dieses Bild noch durch den malerisch angelegten Weiher, eine Schöpfung des Hofbaumeisters Schieder. Als wir durch die Polsterlucke gingen, fiel ein leichter Regenvorhang neben der Spitzmauer ins Tal herein, und auf dem tiefgrünen Wasserspiegel schwankten große, weit voneinander entfernte Regenringe. Den großen Tropfen nach urteilten wir, dass der Regen nicht lange andauern würde, und wir hatten recht, er ging rasch vorüber. Die wilde Polstermauer geleitet uns zu unserer Rechten bis an das Ende des Tales und zum Beginn des Aufstieges. Schon hier konnte ich ein Wiedersehen mit Alpenrosen und tiefblauen Bergvergißmeinnicht feiern und zwei Wasserfälle, von welchen der eine ein reizender Schleierfall ist, machten das Andenken an meine Gebirgsheimat wieder so recht lebendig. Ich glaubte immer zu Hause zu sein und durch den heimatlichen Bergwald zu schreiten und musste mein Denken oft mit Gewalt zurechtweisen und mir erklären, dass ich nicht durchs Dachsteingebiet, sondern in der Prielgruppe steige.
Etwas vor acht Uhr langten wir im Prielschutzhaus an, das wir von einer freundschaftlichen Wirtschafterin umsichtig und zufriedenstellend beherrscht fanden. Nach einem kleinen Nachtmahl streckten wir uns auf unsere Matratzenlager aus. Wir waren für diese Nacht die einzigen Hüttengäste, was uns ganz angenehm war. In der Hochsaison soll die Hütte oft überfüllt sein. Als wir einschliefen schien sich das Wetter nicht so schlecht machen zu wollen. Meine Freundin hatte sich in den dunkelsten Winkel der Hütte zurückgezogen, ich hatte mich mit dem Kopf zum Fenster gelegt. Um zwei Uhr weckte uns heftiges Getrommel auf dem Dach, es regnete wieder. Ich warf einen Blick über mich zum Fenster hinaus. Die Wolken standen noch über den Bergen. Ich ließ mich nicht lange beunruhigen und hörte und sah bald wieder nichts mehr. Gegen vier Uhr erwachte ich wieder, meine Freundin war etwas aufgeregt, sie hatte nicht sobald wieder einschlafen können wie ich, der Regen hatte sie gestört. Jetzt waren die Berge bald klar, bald von umherirrenden Nebeln verhüllt, aber der Regen hatte aufgehört. Der Führer hatte gestern ausgesprochen uns vor vier Uhr zu wecken, jedoch er erschien jetzt noch nicht. Anna war indigniert über das Wetter. „Wir warten noch ein wenig", sagte sie, „wird es nicht besser, so gehen wir einfach ins Tal hinab und fahren heim." „Ich steige unter jeder Bedingung auf", erwiderte ich. „Nein, das tu ich nicht, das wäre eine Fexerei. Ich gehöre nicht zu den heroischen Touristen, die auf die Gipfel müssen. Das könnte gefährlich sein und schlecht ausgehen. Was habe ich davon, wenn ich tot unten liege?!" „Sei kein Frosch und erhebe Dich! Es kann gar nicht gefährlich sein, und ich komme lebend wieder herunter, das weiß ich!" „Woher weißt Du das?" „Das sagt mir mein inneres, alpines Ahnungsvermögen." So stritten wir eine halbe Stunde lang, wobei ich entschieden alpinen Charakter bewies.
Nach Ablauf dieser Frist erhob ich mich entschlossen, kleidete mich vollständig an und stieg in die anderen Hüttenräume hinunter. Dort rührte sich noch nichts, die Hütte war verschlossen. Als ich mich wieder zu unserem Lager hinaufbegeben wollte, begegnete mir Herr Auer auf der Stiege. „Na, was meinen Sie?" fragte ich ihn. „Ja, a weng warten! Schad is, daß nit anders is. I hab ihna deswegen a nit g'weckt." „Ich steig auf jeden Fall auf, Herr Auer." „Aussicht wird aber wenig sein." „Das macht mir nichts. Wie lang glauben Sie, dass wir noch warten sollen?" „Na, wann S' wirklich so den Muat dazua haben, so richten wir uns halt schön langsam zusammen." „Schön!" Ich kehrte zu meiner Freundin zurück. „Anna, ich habe soeben mit Auer gesprochen, ich steige unter jeder Bedingung auf und richte mich jetzt langsam zusammen." „Hast Du gefragt, ob es gefährlich ist?" Nein, das hab ich nicht gefragt." „So geh und frag doch!" Um sie zu beruhigen ging ich wirklich und richtete an Auer die kurze Frage: „Ist es gefährlich?" Worauf ich die noch kürzere Antwort erhielt: „Na!" welche ich meiner Gefährtin überbrachte. In der Kürze zeigt sich der Meister, und die kurze Antwort Auers bewies dies dadurch, dass sie Annas Angst verschwinden machte und die Anfangstouristin sofort vom Lager hob. Ja, diese entwickelte jetzt sogar wieder einen größeren Eifer als ich, zum Aufstieg bereit zu werden. Sie hatte den Hut wieder bedeutend schneller auf als ich und blickte dem Frühstück mit viel größerer Ungeduld entgegen. Unterdessen zog sich Herr Auer seine Gebirgsstrümpfe an. Anna befragte das Hüttenfräulein, ob er auch ein Seil habe. „Er hat schon eins, aber ich glaub, er wird's nicht nehmen." Anna nahm dies ruhig und sogar mit etwas Stolz zur Kenntnis. Wie ich bemerkte, begann sie sich zu fühlen. Ich war über die Seillostgkeit sehr froh, denn ich lasse mich nicht gern fesseln.
Den Aufstieg von der Schutzhütte an begann unsere Anfangstouristin mit fabelhafter Schneid. Sie war immer die erste, während ich die Mitte hielt und Auer den Schluss. Er hatte uns schon gestern erklärt: „I steig nit schneller." „Aber wenn andere Touristen recht laufen, müssen Sie da nicht mittun?" fragte ich ihn. „Is nit die Folg'. I bin sogar verpflichtet, dass i sie zruckhalt." Ich fand Auers Schritt und seine Ansicht sehr vernünftig, zum mindesten kriegt man dabei keinen Herzfehler. Das Wetter hatte sich nicht viel gebessert. Der Himmel war dicht verhangen, die Nebel schmiegten sich die Wände entlang, nur gegen Osten war es etwas heller. Dort konnte man die fernen Gipfel sehen und es machte sich sogar ganz gut, diese düsterblauen Spitzen vor den lichten, von der Sonne beschienenen Wolkensäumen. „A bißl was wird uns schon derwischen", meinte Auer in Hinsicht auf Regen. Bald winkten uns die Schneefelder. Dicht unter ihnen sahen wir zwei Gemsen. Die zierlichen und jetzt auch wohlgenährten Tiere ließen uns, da wir ihnen nicht im Wind waren, sehr nahe an sich herankommen. Wohl hoben sie oft die gehörnten Köpfchen und sahen uns fragend an, aber sie zeigten keine Scheu und erst als wir sehr dicht an sie herangekommen waren, flohen sie, jedoch ohne besondere Hast, sozusagen ganz gemütlich. Ich war ganz entzückt, Gemsen in solcher Nähe zu sehen, denn trotzdem ich schon so viel im Gebirge herumgestiegen bin, hatte sich dies noch nie gefügt. Auer lächelte befriedigt und meinte: „Dös sand halt unserne Gambsen!" „Aha, die sind dazu abgerichtet!" „Freilich wohl!" Das Aufwärtsgehen über steile Schneefelder fand Anna merkwürdigerweise ganz angenehm. Von Zeit zu Zeit fragte sie, ob das schon der ewige Schnee sei, worauf Auer den Bescheid gab, dass der erst weiter oben komme. „Beim Awagehn, da fahrn wir über die Schneefelder ab. Da stellen wir uns her und lassen uns rutschen", kündigte er uns an. Anna freute sich schon sehr darauf, während ich der Sache kritischer entgegensah und erzählte, dass ich über das Karlseisfeld sitzend abgefahren sei. „Geht a als a stehenda", versicherte Auer. Eine Kletterei über den „Brotfall" nahte. „Dass da kein Drahtseil ist?" wunderte sich Anna, den Einstieg betrachtend. „Is nit notwendig, mir kemman a ohne Seil auffi!" beruhigte Auer. „Aber eine Versicherung wäre doch gut, besonders für andere Leute. Meinen das nicht auch andere?" „Js schon oft davon g'redt wor'n. Aber es is immer wieder aufgeben wor'n; die Herren sagen, es war schad um den Priel, wenn er versichert werden tät. "Das war auch meine Ansicht, denn wer nur etwas Tourist und Turner ist, kommt auf den Priel auch ohne Drahtseil und findet auch, dass der Berg durch so etwas sozusagen nur „verschandelt" würde. Ich bedeutete Auer: „Schauen Sie nur auf das Fräulein, die geht zum ersten mal, um mich brauchen sie sich nicht zu kümmern, wenn ich sie brauche, sage ich's schon." Ich bat ihn auch auf der ganzen Tour nur dreimal um seine Hand, und das war eigentlich Faulheit. Anna war anfangs etwas ängstlich. „Wo soll ich hinsteigen? Was darf ich jetzt tun?" Auer sagte ihr das alles mit der größten Ruhe. Sie begriff rasch und auf einmal war sie wieder die erste und kletterte ohne Hilfe dahin. „Da schaun S' es nur an!" bemerkte der Führer zu mir, „jetzt steigt's ah schon dahin ganz turnerisch." Ich hatte ihm nämlich erzählt, dass wir auch Turnerinnen seien. Überhaupt hatten wir uns gegenseitig bald viel erzählt, denn Herr Auer ist nicht nur ein guter Führer, sondern auch ein geschickter Gesellschafter, dies erfuhren nicht nur wir, sondern auch viele andere, wie wir seinem Führerbuch entnahmen. Ein Herr mit Sohn hatte da sogar hineingeschrieben: „Herr Auer ist uns binnen kurzem ein lieber Freund geworden." Uns behandelte Auer — er ist doch etwas älter als wir — väterlich. So hatten wir endlich Annas heiß ersehnten ewigen Schnee erreicht. Es lag etwas Neuschnee. Da es steil anstieg, haute uns Auer mit seinen "Grobg'nahten" Stufen. Bald hatten wir das größte Schneefeld hinter uns. Dichter Nebel hüllte uns ein. Auch war es windstill. „Besser wär's es ging der Wind," sagte Auer, „aber i glaub allweil a bißl a Aussicht kriegen mir noch." Ich war ganz gefaßt. Aussichtslosigkeit auf Gipfeln war für mich nichts Neues mehr. Anna war ruhig, sie hatte nur mehr den einen Ehrgeiz auf die Spitze zu kommen. Auch sie war nun eine „heroische Touristin," sie, die noch an diesem Morgen das Aufsteigen unter allen Bedingungen „Fexerei" genannt hatte! Alles ist dem Wandel unterworfen auf dieser Welt! — Sie sprach jetzt nur mehr vom „Grat", dessen Gefährlichkeit ihr Bekannte bereits gerühmt hatten. „Da lasse ich mich von Herrn Auer führen", sagte sie. „Übrigens, du kannst Dich zuerst hinüberführen lassen. Ich warte." „Das werden wir schon sehen!" Als wir vor dem berühmten Grat standen, ließ ich ihr und Auer den Vortritt und versprach zu folgen, was ich auch tat. Anna ließ sich als braves Kind wirklich die ganze Länge des Grates führen. Der Grat ist wohl ein Grat, aber ein sehr angenehmer. Der Nebel, der zu beiden Seiten feststack, tat übrigens auch seine moralische Wirkung auf das Sicherheitsgefühl. Auf diesem Grat und bereits auch schon früher auf der Höhe fiel mir das Gestein auf, das wie mit einem grünen Überzug bedeckt erscheint. Der Nebel war so dicht, dass wir das große Kreuz am Priel nicht eher sahen, bis wir knapp davor standen, was Auer zu den gemütlichen Worten veranlaßte: „Ja, wo is denn 's Kreuz?! Mir scheint, dös hams uns davon. Ja, ja, dös hams wög!" Beim Kreuz angelangt reichten wir uns alle die Hände. Der Nebel über uns war hell, hier und da erschien sogar die Sonne wie eine matt silberne Scheibe. Der Nordwind blies — aber die lichte Dunstmauer um uns riss nicht. Auer schlug vor sich auf die Südseite zu setzen, was aber von Anna als Abweichen vom Wege verpönt wurde. Vergebens versicherte ich ihr, was ein autorisierter Führer gestattet, dürfe man tun, ob es jetzt vom Wege abgehe oder nicht, sie ließ sich in der Nähe des Gipfelbuches nieder und wir wollten sie natürlich nicht verlassen. Wir nahmen einen kleinen Imbiss ein, Anna beschrieb das Wetter kurz im Gipfelbuch. Ich schrieb dahinein nur meinen Namen und die Verse: „Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg? Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg“.
Wir kamen uns aber gar nicht maultierartig vor, im Gegenteil, wir waren recht vergnügt den Berg doch bezwungen zu haben. Wir ärgerten uns wenig darüber, dass wir keine Aussicht hatten; wären wir von der Hütte abgestiegen ohne den Gipfel erreicht zu haben, wir hätten uns sehr geärgert. Da der Nebel nicht wanken und nicht weichen wollte, hielten wir uns nicht lange auf dem Gipfel auf und machten uns bald wieder an den Abstieg. Auer prophezeite trotz allem noch immer etwas Aussicht. Als wir auf dem breiten Grat, eigentlich einem Rücken, standen, rissen die Wolken richtig gegen Süden hin. Wir sahen ein Stückchen Hetzau und sehr schön die Weitgruben, ein ödes, schneeerfülltes Hochtal des Toten Gebirges. Ich machte die Bemerkung, dass das Tote Gebirge viel zerklüfteter ist als die mir wohlbekannte Dachsteingruppe. Als es ans Abwärtsklettern ging, kehrte Annas Furchtsamkeit zurück, verlor sich aber bald. Sie stieg zuerst mit dem Gesicht gegen den Abhang aus Angst vor dem "Schwindligwerden". Später machte sie es wie ich. Sie bot dem Abgrund kühn die Stirn dar und setzte sich an schwierigen Stellen einfach nieder. Sie erkannte bald den Vorteil dieser Art, nämlich, dass man da den ganzen Weg besser überblickt und so nicht so leicht in die Verlegenheit kommt: „Wo setze ich jetzt den Fuß hin?" Bei sehr steilen Flächen dürfte diese Art des Absteigens aber wohl nicht anzuwenden sein. Bei den kleinen, wenig geneigten Schneefeldern vor dem Rücken, der in den Grat übergeht, „praktizierten" wir bereits, wie Auer sagte, das Abfahren. Das war zuerst eine kleine Übung, wir fuhren rechts und links in unseren wackeren Führer eingehängt zu dritt. Es ging wider Erwarten gut und einen Teil des großen, tiefer liegenden ewigen Schneefeldes fuhren wir schon allein, um an den nachfolgenden Feldern die Sache mit einem wahren Feuereifer zu betreiben. Es war viel leichter als wir es uns vorgestellt hatten. Besonders Anna hatte nach Aussage Auers eine „gute Balanz". Auer hatte sich aber auch als trefflicher Lehrmeister erwiesen. Wieder begegneten uns zwei Gemsen. Als wir aus der kahlen Höhe wieder in die Region der Blumen gekommen waren, griffen wir fest zu. Enziane und rote Grafenblumen legten sich in leuchtenden Farben über das graue Gestein. Hier und da grüßte noch eine gelbe Himmelschlüssel, die den sommerlichen Berghimmel erschlossen hatte. Im Schutze der Felsen glühten in den zarten Nuancen des Morgenrots sternförmige Rhododendronblüten. Bald erschienen auch wieder die lieben Vergißmeinnicht und die frischen Alpenrosen.
Wir kamen uns aber gar nicht maultierartig vor, im Gegenteil, wir waren recht vergnügt den Berg doch bezwungen zu haben. Wir ärgerten uns wenig darüber, dass wir keine Aussicht hatten; wären wir von der Hütte abgestiegen ohne den Gipfel erreicht zu haben, wir hätten uns sehr geärgert. Da der Nebel nicht wanken und nicht weichen wollte, hielten wir uns nicht lange auf dem Gipfel auf und machten uns bald wieder an den Abstieg. Auer prophezeite trotz allem noch immer etwas Aussicht. Als wir auf dem breiten Grat, eigentlich einem Rücken, standen, rissen die Wolken richtig gegen Süden hin. Wir sahen ein Stückchen Hetzau und sehr schön die Weitgruben, ein ödes, schneeerfülltes Hochtal des Toten Gebirges. Ich machte die Bemerkung, dass das Tote Gebirge viel zerklüfteter ist als die mir wohlbekannte Dachsteingruppe. Als es ans Abwärtsklettern ging, kehrte Annas Furchtsamkeit zurück, verlor sich aber bald. Sie stieg zuerst mit dem Gesicht gegen den Abhang aus Angst vor dem "Schwindligwerden". Später machte sie es wie ich. Sie bot dem Abgrund kühn die Stirn dar und setzte sich an schwierigen Stellen einfach nieder. Sie erkannte bald den Vorteil dieser Art, nämlich, dass man da den ganzen Weg besser überblickt und so nicht so leicht in die Verlegenheit kommt: „Wo setze ich jetzt den Fuß hin?" Bei sehr steilen Flächen dürfte diese Art des Absteigens aber wohl nicht anzuwenden sein. Bei den kleinen, wenig geneigten Schneefeldern vor dem Rücken, der in den Grat übergeht, „praktizierten" wir bereits, wie Auer sagte, das Abfahren. Das war zuerst eine kleine Übung, wir fuhren rechts und links in unseren wackeren Führer eingehängt zu dritt. Es ging wider Erwarten gut und einen Teil des großen, tiefer liegenden ewigen Schneefeldes fuhren wir schon allein, um an den nachfolgenden Feldern die Sache mit einem wahren Feuereifer zu betreiben. Es war viel leichter als wir es uns vorgestellt hatten. Besonders Anna hatte nach Aussage Auers eine „gute Balanz". Auer hatte sich aber auch als trefflicher Lehrmeister erwiesen. Wieder begegneten uns zwei Gemsen. Als wir aus der kahlen Höhe wieder in die Region der Blumen gekommen waren, griffen wir fest zu. Enziane und rote Grafenblumen legten sich in leuchtenden Farben über das graue Gestein. Hier und da grüßte noch eine gelbe Himmelschlüssel, die den sommerlichen Berghimmel erschlossen hatte. Im Schutze der Felsen glühten in den zarten Nuancen des Morgenrots sternförmige Rhododendronblüten. Bald erschienen auch wieder die lieben Vergißmeinnicht und die frischen Alpenrosen.
In der Hütte langten wir vollständig trocken an. Herrn Auers Wort von dem „kleinen Regenerl" war bisher nicht in Erfüllung gegangen — das Wetter sollte es aber später noch einbringen. Nachdem wir uns in der Hütte gestärkt hatten, ging es bei Sonnenschein zu Tale. Eben dieser Sonnenschein braute aber in aller Stille an zwei verschiedenen Himmelsrichtungen je ein sehr schönes Gewitter zusammen. Im Tale waren wir froh, Herrn Auers gastliches Haus zu erreichen. Dort nahmen wir eine kleine Jause und Herr Auer sprach sich sehr zufrieden über unser Verhalten aus und versicherte, er habe es gleich gemerkt, dass er mit uns leicht auf den Gipfel komme. Als wir so in der traulichen Stube saßen, schien sich das Wetter wieder bessern zu wollen, so dass wir unserm ersten Entschluss treu blieben, das Stodertal zu Fuß zu verlassen. Anna erklärte: „Jetzt werde ich schlendern, denn wir haben lange Zeit, unser Zug geht erst vor zehn Uhr von Dirnbach weg." Sie schlenderte also. Ich ging ihr sogar etwas zu schnell. Als sie im besten Schlendern begriffen war, kehrte der Regen wieder. Wir hatten bereits unsere Mäntel übergeworfen und sie meinte: „Mehr als nass werden kann ich nicht. Ich geh noch nicht schneller!" Was blieb mir anderes übrig, als ebenfalls noch nicht schneller zu gehen?! Als wir aber mitten im Wald waren, brach ein fürchterlicher Regen herein, Blitze zuckten, Donner rollten u.s.w. Wir gingen fürbass, was hätten wir anderes tun können — es war weit und breit kein Haus — nur ans „Schlendern" dachte Anna nicht mehr, sie kämpfte sich wie ich mit möglichst raschen Schritten vorwärts. Das Wetter stellte sich derart an, dass wir nicht einmal bei den am Wege liegenden Gasthäusern zukehrten, sondern mit dem Mute und der Gleichgültigkeit der Verzweiflung rastlos auf unser Ziel lossteuerten. Der Regen schien ohne Ende, was hätte es uns genützt, ihn abwarten zu wollen?! Wie die sogenannten „getauften Mäuse" landeten wir aus den Wassern im Gasthof „zur Post" in Dirnbach-Stoder. Unsere Laune war grau wie der Regen, der durch die schwarze Nacht rauschte. Das Zimmer, das uns aufnahm, war giftgrün gemalt — uns aber erschien es ein goldener, rettender Ort. Die barmherzige Kellnerin nahm unsere Mäntel in die Küche, um sie doch ein wenig zu übertrocknen. Wir nahmen nur einen kleinen Imbiss, denn der Ärger raubte uns den Appetit. Um halb zehn Uhr wankten wir zur Bahnstation. Es folgte eine scheußliche Fahrt. Die nassen Kleider nahmen uns alle Wärme, dennoch schlummerten wir — und, was noch wundernswerter ist, keine von uns erkältete sich!
Mit einem gesunden Schlafbedürfnis langten wir in Linz an. Unsere Alpenblumen hatten wir tadellos heimgebracht, da wir ihre Stengel sorgsam mit feuchtem Moos umwickelt hatten. Am nächsten Tag war ich im Gesicht rot wie ein gekochter Krebs, meiner Freundin als Brünette war die Haut nicht so angegriffen worden. Mir machte jedoch mein feuriges Aussehen wenig, war es doch der Beweis, dass ich wirklich eine große Tour hinter mir hatte. Lächelnd trug ich mein Morgenrot rotes Antlitz unter die Menschen. Und war diese Partie auch eine „aussichtslose" und haben uns Regen und Nebel dabei weidlich schikaniert, „unseren Priel" haben wir doch gemacht und es hat uns sehr gefreut, es war sehr schön!
Prielschutzhaus |
Touren von Georg Auer |
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