Freitag, 18. Februar 2022

Ein Kistchen Zigarren

In der Oberdonau-Zeitung vom 7.4.1945 berichtete Josef Robert Harrer über den berühmten Münchner Maler Franz Carl Spitzweg (geb. 1808, gest. 1885). Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.

Manche seiner kleinen Bilder malte Spitzweg auf die Holzbrettchen zerlegter Zigarrenkistchen. Die Freunde des Münchner Malers wußten davon und brachten ihm oft diese hölzernen Schachteln.

Einmal sagte ein Bekannter, der immer nur leere Kistchen zu bringen pflegte: „Lieber Spitzweg, ich habe ihnen schon etliche Kistchen überlassen. Als Anerkennung könnten Sie mir einmal ein schönes Bild schenken!“ „Gern!"
 erwiderte der Maler. Nur muss ich gestehen, dass mir die Bilder am besten gelingen, wenn ich Kistchen verwende, deren Inhalt ich vorher selbst geraucht habe. Bringen Sie mir also einmal ausnahmsweise keine leere, sondern eine gefüllte Holzschachtel!“. Der Bekannte nickte nicht gerade begeistert; da er aber wusste, dass man weit im Lande die Spitzweg-Bilder schätzte, brachte er einige Tage später ein Kistchen mit Zigarren. Mit Staunen bemerkte Spitzweg, dass der Geizhals eine der besten Zigarrenmarken gewählt hatte. Er nickte anerkennend und sagte: „Diese wunderbaren Zigarren werden schnell geraucht sein, so dass bald das Kistchen leer sein wird! Dann male ich Ihnen ein schönes Bild auf den Deckel!“ Noch am gleichen Abend versuchte Spitzweg eine der herrlichen Zigarren. Schon beim ersten Zug aber musste er feststellen, dass es die schlechteste Zigarre war, die er je angezündet hatte. Der Geizhals hatte einfach die billigsten Zigarren ins Kistchen gepackt. Spitzweg warf die Zigarren fort und malte sofort auf den Deckel eine große Null. Dann schrieb er auf einen Zettel:

„Zu diesem herrlichen Gemälde haben mich Ihre wunderbaren Zigarren inspiriert! Freuen Sie sich ehrlich an diesem Bild, das ich Ihnen schenke! “Beides schickte er am nächsten Tag dem Bekannten.

Carl Spitzweg





Carl Spitzweg, Selbstportrait

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