Freitag, 3. Februar 2023

Missverständnisse

Charlie Chaplin (geb.1889, gest.1977)
Schauspieler, Komiker, Regisseur

Grazer Tagblatt 11. Juni 1929
Von Charlie Chaplins letzter Europareise erzählt sein Privatsekretär eine kleine Anekdote.
Charlie hatte seinem Privatsekretär bestimmte Weisungen gegeben. Wenn er nämlich von einem Menschen, der ihn langweilte, in eine Unterhaltung verwickelt würde, so wollte er sich über das Haar streichen und sofort sollte der Privatsekretär ihn abrufen und unter allen Umständen darauf bestehen, dass Charlie ihm sofort folgte. Diese Verabredung wirkte sich auf der ganzen Europareise vorzüglich aus, Charlie Chaplin brauchte nie länger mit einem Menschen zu sprechen, als es ihm Spaß machte.
Dann aber kehrten sie nach Amerika zurück und hielten sich einige Tage in New York auf. Eines Tages sprach eine sehr hübsche junge Dame Charlie Chaplin in der Halle des Hotels an. In seiner Aufregung strich er sich mit der Hand über das Haar. Sofort trat der Privatsekretär zu ihm und erinnerte ihn an eine wichtige Besprechung. Charlie bedeutete ihm mit seiner weltberühmten Mimik, dass er diesmal durchaus nicht die Absicht hätte, die Unterhaltung abzubrechen, aber sein Privatsekretär ließ sich nicht abschrecken. Er schleifte den unglücklichen Charlie mit, soviel dieser auch protestierte und schalt. Er wurde ein Opfer seiner eigenen Anordnungen.

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Grazer Tagblatt 17. November 1907
Es war zu der Zeit, da der sehr gebildete Mr. Hlll noch Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt war.
Eines Tages erscheint ein Berichterstatter und bittet um Auskünfte über eine heikle politische Angelegenheit; aus politischen Gründen wird dem .Besucher die Auskunft verweigert, aber der Berichterstatter ist zäh und zudringlich und will nicht weichen. „Also gut," sagt Hill schließlich, „ich werde sie zufrieden stellen; aber Sie werden einsehen, dass ich mich dabei einer sehr diplomatischen Ausdrucksweise bedienen muss.. ." Und Hill fängt an, lateinisch zu sprechen. Der Journalist hatte keine humanistische Vergangenheit. „Aber verzeihen sie," sagt er lächelnd, „ich verstehe kein einziges Wort." „Ich werde mich näher erklären." antwortet Hill und beginnt nun griechisch zu reden. Nach einigen Minuten bittet der unglückliche Berichterstatter um Gnade. Hill bleibt unbarmherzig und setzt seine Erklärung auf Französisch fort.
Das war zu viel: der Zeitungsmann ergriff endlich die Flucht und am nächsten Tage erscheint der Verleger der Zeitung im Auswärtigen Amte um sich bei dem Unterstaatssekretär zu erkundigen, warum dem Mann die Auskunft verweigert worden sei. Hill aber konnte darauf lächelnd erwidern: „Aber, ich habe ihm ja die größten Staatsgeheimnisse offen anvertraut."

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Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 13. Juni 1875
Aus den Zeiten der französischen Invasion 1870/1871 wird die Anekdote von einer naiven Küchen-Magd erzählt, die mit schmerzdurchbebter Stimme jammerte, ein französischer Soldat habe mit brutaler Gewalttat an ihrer Tugend gefrevelt. Auf die Frage, ob sie denn nicht um Hilfe geschrieen und sich zur Wehr gesetzt habe, habe sie mit der melancholischen Bemerkung geantwortet:
"Was hätte mir das genützt? ich kann ja nicht französisch.“

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