Freitag, 2. Februar 2024

Von einer Bergrettung und einem berühmten Bergsteiger

In den Oberösterreichischen Nachrichten und in der Linzer-Tagespost konnte man folgende Artikel lesen. Sie wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.


Oberösterreichische Nachrichten 11. Oktober 1952
Die „Oberösterreichischen Nachrichten" konnten am 7. Oktober 1952 von der Rettungstat des Hüttenwirtes Reischl und seines Begleiters Grunewald berichten. Die beiden Alpinisten retteten sechs junge Bergsteiger, die während einer schwierigen Klettertour in der Spitzmauer von ungünstiger Witterung überrascht und festgehalten worden sind. Hüttenwirt Reischl hat uns einen Bericht von dieser Rettungsarbeit zur Verfügung gestellt, den wir nachstehend im wesentlichen veröffentlichen.

Am 5. Oktober 1952 kehrten sechs junge Alpinisten von einer der schwierigsten Kletterrouten in der Spitzmauer, im Toten Gebirge nicht zurück. Schon am späten Nachmittag desselben Tages setzte ein gewaltiger Wettersturz ein. Schnee und Eiskörner hagelten, von wilden Sturmböen gejagt heran, Nebel und Wind verhinderten noch am selben Tage eine Verständigung mit den in der Spitzmauer gefangenen Bergsteigern. Ein wütender Orkan, Eis, Schnee und Kälte herrschten in der folgenden Nacht. 
Gegen Morgen aber heiterte es, bei anhaltendem Sturmwind auf. Schon um sechs Uhr früh war die Verständigung mit denen in der Wand hergestellt, sie gaben „Alpines Notsignal". Von Helfern ließ ich daraufhin die Gendarmerie Hinterstoder und von dieser den Bergrettungsdienst verständigen während ich mit meinem Helfer Paul Grunewald durch die Gruberrinne zum Hochkarpfeilergipfel aufstieg. Mit hundert Meter Seilen, verschiedenen Haken, Karabinern und Hilfsseilen ausgerüstet, mit warmen Getränken und Verpflegung bepackt und auch mit Verbandzeug beladen, schlichen wir uns über die stark vereisten steilen Platten empor. Trotz enormem Sturmwind und mächtiger Staubschneerutscher waren wir um acht Uhr soweit, dass wir uns mit denen in der Wand, von oben herab, verständigen konnten.
In rascher Arbeit wurde nun eine solide Seilverankerung sowie eine zusätzliche Seilsicherung erstellt und dann eine gefüllte Feldflasche am Seil in die Tiefe gelassen. Von unserem Standpunkt aus wurden genau 70 Meter Seil benötigt, um den Bergsteigern, die bereits unter Kräfteverfall und Kälte litten, ein warmes Getränk und ein Sicherungsseil bieten zu können. Schon um 8.30 Uhr konnte der erste Mann von unserem Seil gesichert, den Aufstieg über das teilweise überhängende und stark vereiste Wandstück beginnen. Die 30 Meter Seil, die wir noch ungenützt hatten, wurden ebenfalls hinuntergelassen um dem Aufsteigenden ein Hilfsseil zu bieten, an dem er sich festhalten konnte. Nach kräfteraubendem stärkstem Einsatz hatten wir den ersten Mann nach ungefähr einer Stunde heroben. Abermals rutschte eine gefüllte Feldflasche zu Tal und dieses Mal kam das Mädel, das auch dabei war, zur Himmelfahrt dran. Heißer Tee, ein wenig zu essen und besonders die tatkräftige Mithilfe, die ich von jedem gleich forderte, brachte die erstarrten Glieder und den Blutkreislauf wieder in Ordnung, so dass sich das körperliche Befinden der Geretteten bald besserte. Der Abstieg durch die Gruberrinne erfolgte teilweise über ein von uns erstelltes Geländerseil und durch Abseilen, so dass wir alle bereits um 14.30 Uhr in der Klinserscharte auf dem markierten Weg standen. Die sechs Bergsteiger haben ihre so rasche und reibungslose Bergung zum größten Teil nur der guten und ausgezeichneten Ausrüstung zu verdanken. Man darf in diesem Zusammenhang etwas erwähnen, was allgemein von Interesse ist. Zum Aufseilen wurde ein 40 Meter langes und ein 30 Meter langes, spiralgeflochtenes Perlon-Kletterseil verwendet. Der riesige Unterschied zwischen diesen und den sonst üblichen Hanfseilen ist am besten durch ein kleines Beispiel erklärt.
Wenn 70 Meter Perlonseil zur Tiefe hängen, so kann sie ein Mann mit zwei Fingern wieder einziehen. Bei einem gleich langen Hanfseil plagen sich zwei Mann gewaltig. Zu erwähnen ist dabei, dass all dies bei winterlichen Verhältnissen erfolgte und die Hanfseile in kürzester Zeit durchnässt waren. Der große Unterschied in der Bruchdehnung, Bruchlast sowie das verminderte Gewicht und die absolute Gleichmäßigkeit des Querschnittes der Perlon-Kletterseile beweisen die höchste Sicherheit für den Bergsteiger. Die Besonderheit, aber auch bei Nässe die hundertprozentige Kringelfreiheit zu besitzen, haben nur die spiralgeflochtenen Perlonseile, welche eine heimische Firma in Wels neuestens mit besonders fester Flechtart erzeugt.

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Edward Theodore Compton (geb.1849, gest.1921)

(Linzer) Tages-Post 9. April 1921 
Mit E.T.Compton, der am 22. März in seinem Landhaus am Starnbergersee als Zweiundsiebzigjähriger gestorben ist, haben unsere Berge einen ihrer edelsten Freunde verloren. So wie er hat kein anderer Künstler die Alpen geliebt. So innig, so rein und so treu. Die Liebe zu den Bergen, die in das Herz des Neunzehnjährigen schlug, als er zum ersten mal aus der englischen Heimat in die Schweiz gekommen war und die Jungfrau aus den Nebeln des Thuner Sees tauchen sah, hat Compton durch sein ganzes langes Leben geleite. Sie hat den jungen Angelsachsen, der einem uralten Geschlecht entsprossen ist auch auf den Weg der Kunst gezwungen. Der Eindruck des alpinen Erlebnisses am Thuner See hatte ihn so tief ergriffen, dass er Maler werden musste. 
Statt in die englische Heimat zurück, ging es nach München. Und alles was er lernte — und Compton hat unendlich viel gelernt — hat er für seine geliebten Berge gelernt und aus Wanderungen sonder Zahl trug er seine reiche Kunst in das Hochgebirge. Compton war der erste Alpenmaler großen Stils, der aus unmittelbarer Anschauung schuf, seine Bilder inmitten der Wunder der Bergwelt, Aug in Aug mit der Größe und Einsamkeit der Natur komponierte, seine Bilder waren keine Phantasien von fernher, sie waren erlebt, am Herzen der Natur erlebt. 
Daraus erklärt sich über alles technische Können hinaus auch ihre Wirkung auf den Beschauer. Comptons erstes großes Gemälde „Blick von der Rottalhütte an der Jungfrau", das später die Galerie von Cincinnati erwarb, erregte gewaltiges Aufsehen. Und der Erfolg blieb auch seinen nächsten Werken treu. Immer wieder zog er in die Berge und rang in Eis und Schnee und Schroffen um die Seele der Alpen. Seine Bilder sind von tiefer Naturtreue, über dieser liegt aber doch eine eigene, urpersönliche Stimmung des Künstlers. Comptons alpine Sinfonien, in denen wohl mehr Molltöne schwingen, übten einen mächtigen Einfluß auf die Bergfreunde, zumal ihnen zahlreiche Reproduktionen den Weg in die breitesten Schichten bahnten. Ganz besondere Werbekraft hatten sie in der angelsächsischen Welt. Den Jahrbüchern des Deutschen und Österreichischen Alpenvereines hat der Künstler viele schöne Blätter gewidmet und bald erkannten auch die Männer des Fremdenverkehrs, welcher Helfer ihnen in Comptons Pinsel erstanden ist. Der Künstler wurde mit Einladungen und Aufträgen bestürmt, aber mehr als einmal mussten geschäftstüchtige Fremde erfahren, dass Compton seine Berge nicht in den Schatten der Reklame malen wollte. Zu den schönsten seiner rund 200 Gemälde gehört das wildmächtige „Höllental" aus den oberbayrischen Bergkesseln, „Sommernacht in Lofoten", „Monte Rosa vom Piezo Bianco", „Ortler von St.Valentin". der große „Ortler" für das neue Karersee-Hotel. 

Von den österreichischen Alpenländern darf sich wohl jedes einer Reihe prächiger Compton-Bilder rühmen. Mit besonderer Liebe erging sich der Künstler in den Wundern Salzburgs und unendlich viel dankt ihm auch Oberösterreich. Aus dem Heimfrieden der Familie Schachinger in Hinterstoder fand er in die Schönheiten des Stodertales und zur Erhabenheit seiner Berge empor. Und was er dort künstlerisch erlebt hat, gehört mit zum Schönsten seines Schaffens. Der große Maler war ein grundgütiger Mensch. Der Krieg hat viel Leid in seine sonnige menschheitsgläubige Seele getragen und das größte resultierte wohl daraus, dass sein Vaterland — England — der Träger des Hasses gegen Deutschland war. Gegen die Verehrung die das deutsche Volk dem Künstler zollte war die Kriegsfurie freilich auch in ihrer wildesten Wut ohnmächtig. Und das mag Compton ein Trost im Leid gewesen sein. Vor zwei Jahren, kurz nach seinem 70. Geburtstag hat der Künstler noch den Großglockner bestiegen. Ohne eine Spur von Wegmüdigkeit, ein Bild von Manneskraft. Man dachte nicht, dass so viel Kraft und Stärke brechen könnten. Und nun hat sie lange Krankheit zermürbt. In seinem Landhaus zu Feldafing am Starnbergersee ist der Tod als Erlöser zu ihm gekommen.

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