Von den Erlebnissen eines Pferdeeinkäufers im Stodertal und Windischgarsten vor rund 150 Jahren. Die damalige Schreibweise wurde weitgehend beibehalten, der Artikel wurde etwas gekürzt und angepasst.
Es war gegen Ende des Monats
Juni im Jahre 1870, als ich von meiner Oberbehörde den Auftrag
erhielt, eine bestimmte Anzahl zur Zucht tauglicher Stuten der
mittelschweren norischen Rasse und einen entsprechenden Hengst in den
deutschen Provinzen Österreichs zu dem Zweck anzukaufen, damit
dieselben theils auf dem meiner Leitung anvertrauten, theils auf
einem benachbarten Gut zur schweren Arbeit und gleichzeitig auch zur
Aufzucht schwerer Arbeitspferde verwendet werden.
Ich fuhr nach Lambach um mich
mit dem k.k. Hengstendepotcommandanten Major S. in Stadl bei Lambach
zu beraten. Dieser hatte die Güte, mich bestens zu informieren und
rieth mir, vor Allem über Windischgarsten mit Umschau im Hinter -
und Vorderstoderthale nach Liezen, Irdning u.s.w. in das obere
Ennstal zu gehen. Einer seiner ältesten Wachtmeister, der die
Stutenbesitzer kannte, behauptete das in den beiden Stodertälern und
um Windischgarsten herum zwar nicht viele aber vorzügliche Stuten zu
finden wären.
Es war, glaube ich, am 5.
oder 6. Juli 1870, als wir um 4 Uhr Früh von Lambach ausfuhren. Es
hatte schon einige Tage geregnet und da im prachtvollen Salzkammergut
der Regen, wenn er einmal einfällt, nicht so bald wieder aufhört,
so war auch dieser Morgen grau, wolkenreich und kühl. Gegen Mittag
lichtete sich ein wenig das Gewölke. Während des
Mittagsaufenthaltes erkundigten wir uns nochmals eingehend um den
richtigen Weg in das hintere Stoderthal. Wir bekamen zur Auskunft,
dass wir gleich knapp vor der Brücke über die Steyr die große
Landstraße verlassen müssen. Wir gelangten in der That gegen halb 4
Uhr Nachmittags zur Steyrbrücke, vor welcher wir rechts von der
Landstrasse abbogen. Die Seitenstraße führte in einen schönen
Fichtenwald an dem rechten Ufer der Steyr. Wir mochten abermals eine
gute Viertelstunde weiter gefahren sein, da hoben sich die Wolken,
augenscheinlich rasch und als wir nach einer kurzen Weile eben an
eine Bergkante kamen und die lichter stehenden Bäume einen Ausblick
gewährten, da zerriß der Wolkenschleier gänzlich, der blaue Himmel
wurde sichtbar und goldener Sonnenschein durchflutete das schöne
Thal. Nach kurzer Zeit hatten wir den höchsten Punkt der Straße
erreicht und nun ging es in einem weiten Bogen auf der anderen Seite
des Berges hinab. Nach Verlauf einer halben Stunde hielt ich die
Pferde, die heute so wacker gehalten, vor dem Pfarrhause in
Hinterstoder an. Der Pfarrer, über mein Anliegen unterrichtet,
theilte mir bereitwilligst mit, dass wohl wenig, aber vielleicht doch
einige Stuten aufzutreiben sein werden. Er bot sich freiwillig an,
Tags darauf (es war eben Samstag) sowohl vor der Frühmesse, wie vor
dem Amte von der Kanzel herab die Bauern, die allenfalls Pferde zu
verkaufen haben, aufzufordern, sich an uns zu wenden und war
schließlich noch so liebenswürdig uns den Gasthof des dortigen k.k.
Revierförsters Vogel zu empfehlen.Wenige Minuten später waren wir
im Försterhause, wo für gute Verpflegung unserer Pferde gesorgt
wurde.
Der alte Vogel war ein
prächtiger Wirth, der uns durch seine muntere Redseligkeit viel
Vergnügen machte, aber auch manch sehr praktischen Wink gab.
„Wissen`s, meine Herrn“, sagte er, „wer bei uns und in
Obersteier Roß`kaufen will, der soll im Frühjahr oder im Herbst
herkommen; denn im Sommer sind die „Füllerlstuten“ alle droben
auf der Almweide. Bei uns hier im Stoderthal will a jeder , der a Roß
hat, a „Rhodusstute“ (die Nachkommen einer besonders guten Stute mit Namen "Rhodus") haben, aber wirklich schöne Stuten gibt`s
gar wenig. Wenn sie über Vorderstoder nach Windischgarsten fahren,
dann sprechens beim Rumpelmeyer vor, der hat echte schöne
„Rhodusstuten“ und eine gibt er gewiß her, wenn auch der Junge
drüber flennen (weinen) möcht.“
Der Rumpelmeyer, ich nenne
absichtlich seinen Namen, weil ich der Ansicht bin, ein jedes Land
kann sich beglückwünschen, welches solche Bauern aufzuweisen hat.
Er und seine Tischgenossen, alle sonntagsmäßig schwarz gekleidet,
schienen offenbar dem wohlhabenden Theil der Bevölkerung
anzugehören. Rumpelmeyer lud uns ein ihn zu besuchen und meinte: „Da
ich auch eine schöne Mutterstute, eine echte „Rhodusstute“,
besitze, die bei der letzten Prämierung mit dem ersten Preis
ausgezeichnet wurde, so würde es mich sehr freuen, wenn die Herren
mich auch besuchen würden, und wer weiß, wenn die Herren mir das
Tier gut zahlen, so geb` ich es vielleicht her!“.
Selbstverständlich sagte ich zu und des anderen Morgens machten wir
uns auf den Weg.
Die Sonne meinte es heute gut
mit uns und brannte derart auf unsere Rücken, dass wir froh waren
den Hof Rumpelmeyers erreicht zu haben. Kühler Schatten umfing uns in
der hochgewölbten Thoreinfahrt dieses alten, solid gebauten
halbstockhohen Hauses. Der freundliche Hausherr sichtlich über
unseren Besuch erfreut, bat uns vor Allem ein wenig in seiner
Behausung auszuruhen.
Er machte uns mit seinem
Bruder dem „Kellermeister“, wie er ihn nannte, bekannt und
bedeutete ihm, einen Krug Most mit Butter und Brot in die Stube zu
bringen. Wir traten nun in ein großes , zwar altmodisch gewölbtes ,
aber schönes lichtes Zimmer, im Halbstock; doch wie erstaunte ich,
als ich an der Fensternische ein schönes, fast neues Wiener Clavier
stehen sah! Da ich selbst ein großer Musikfreund bin, ward ich
hiedurch äußerst angenehm überrascht und auf meine Frage:“Ja wer
spielt denn hier Clavier?“ ertheilte mir Rumpelmeyer die lakonische
Antwort: „Mein Bruder, der Sauhirt!“ Ich hielt dies Anfangs für
einen Spaß unseres Wirthes und näherte mich dem offenen Flügel,
auf dessen Pult ein mir bekanntes, schwieriges Trio von Mendelsohn
auflag! Meine Überraschung ging in Staunen über, da ich
gleichzeitig bemerkte, dass auch Violine und Cello im Zimmer sich
befanden, so frug ich abermals, ob man dieses Stück nicht zu hören
bekommen könnt? Rumpelmeyer meinte hierauf:“ Wissen`s, mein lieber
Herr, ich spiel wohl auch ein bisserl Clavier und Geige, aber mein
Theil ist eigentlich das Singen am Sonntag in der Kirche. Das Stück
aber dort (auf das Clavierpult deutend), das studiert grad
der Sauhirt, mein Bruder, der Toni, und Violine spielt wieder der
Kellermeister. Schade das der Cellist, der Schulmeister, nicht da
ist; so könnten`s das Stück vielleicht hören!“
(Der Schulmeister war auch der Klavierlehrer von Toni dem "Sauhirt"). Ich
meinerseits war, offen gestanden, sehr neugierig, den „Sauhirten“
ein Mendelsohn`sches Trio am Clavier vortragen zu hören und
entgegnete: “Wissen`s lieber Herr Rumpelmeyer, wenn es weiter an nichts
fehlt als den Cellist, so übernehme ich dessen Stimme!“ Freudig
überrascht schlug der Hauswirth (ein Mann von beiläufig 32 Jahren)
in die Hände und mit den Worten: „Na, des ist a Freud“ rief er
gleichzeitig zur Tür hinaus: “Kellermeister und Sauhirt kommt`s
schnell herauf, wir machen ein bisserl Musik!“ übergab mir das
Cello und richtete Noten und Pult bereit. Gleich darauf erschien auch
schon der Kellermeister, ein hübscher junger Mann von 25 Jahren und
hinter ihm der musikalische Sauhirt – der Gegenstand meiner
Neugierde. Ein Jüngling von beiläufig 18 bis 19 Jahren, groß und
schlank gewachsen, mit etwas vorgebeugter Haltung, ein wenig blassem,
angenehmen Gesichte, und dichtem, schwarzem üppigem verwirrtem
Haare, in Hemdsärmeln, vorne eine in der Eile seitwärts
aufgeschürzte Schürze und Holzschuhe an den Füßen. Er trat ein
und näherte sich schüchtern und wahrscheinlich ob unserer Gegenwart
etwas verlegen dem Clavier. Auf die Aufforderung er möge das
aufgelegte Trio spielen stammelte er bescheiden eine Entschuldigung,
dass er dasselbe erst studiere und wahrscheinlich stecken bleiben
werde. Ich redete ihm ermuthigend zu und kurz darauf begannen wir das
Trio, das wir – zu meinem immer größer werdenden Staunen – bis
auf wenige, sehr schwierige Stellen, die unser junger Freund
offenbar noch nicht gut durchstudiert hatte und deshalb etwas
verschwommen wiedergab, ganz gut, ja stellenweise sehr gut zu Ende
brachten. Ich beglückwünschte den jungen Burschen zu seinem
hübschen Talente und seinem schönen Fleiße, worüber dessen sanfte
Augen sichtlich freudig erglänzten. Ich beglückwünschte auch seine
beiden Brüder, namentlich den ältesten Rumpelmeyer, dass er einen so
feschen Kellermeister und einen so lieben musikalischen Sauhirten zu
Brüdern habe, trank auf ihr Wohl ein Glas Most und bat den
Hausherren, der in die gehobene Stimmung versetzt war, mir aber
nunmehr auch seine Rhodusstute zu zeigen und - zu verkaufen, da ich
zu Mittag im Gasthaus die gekauften Tiere erwarten müsse. Wir
gingen sofort zum Stalle, wo uns die Stute samt ihrem Fohlen gezeigt
wurde. Sie war in der That eine sehr gut gebaute, hübsche
Braunstute, die ich sehr gern gekauft hätte. Um den Preis fragend
machte der Mann ein komisch verlegenes Gesicht und antwortete lange
zögernd endlich: „Die Herren haben mir heute einen so freudigen
und glücklichen Tag durch ihren lieben Besuch bereitet, dass ich –
dass – ich mich am selben Tag nicht von meiner braven Stute trennen
möcht!“ Ich machte ihm hierauf – um zu sehen, ob er wirklich
nicht verkaufen wolle – ein relativ sehr hohes Anbot. Aber er
fiel mir gleich, mit der Hand abwehrend, in`s Wort und meinte :
„Na ,na! Mein lieber Herr! Lassen wir das für heut`! Kommens über
das Jahr wieder, vielleicht kann ich mich dann entschließen!“
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