Freitag, 31. Juli 2020

Hofbaumeister Schieder - der Schiederweiher und das Burgtheater

Großbaustellen liefern nicht nur in unserer Zeit Gründe für heftige Prozesse vor Gericht. Vor mehr als 100 Jahren war es genau so.
Die Tages Post Linz vom 18.4.1906 berichtet über einen Prozess, den der Hofbaumeister Johann Schieder, der Schöpfer unseres Schiederweihers, (2018 zum schönsten Platz Österreichs gewählt) gegen den Staat angestrengt hat, weil er als Bauunternehmer beim Bau des Burgtheaters in Wien durch Bauverzögerungen großen Schaden erlitten hat. Schieder (geb.1832, gest.1902) erlebte den Ausgang des Prozesses nicht mehr. Er starb 1902 in Hinterstoder. Seine Kinder setzten die Klage fort.

Zum besseren Verstehen wurde der Artikel geringfügig der heutigen  Schreibweise angeglichen:



In dem seit vierzehneinhalb Jahren anhängigen Prozeß, welchen der Erbauer des Hofburgtheaters in Wien, Hofbaumeister Johann Schieder, gegen das Hofärar (Staatsvermögen) und den Stadterweiterungsfond wegen Nachzahlung von 1,072.618 Kronen 82 Heller (1 Krone 1906 = 6,58 €) angestrengt hat und den seine drei Kinder nach seinem Tod als Erben durch Dr. Karl Ruzicka weiterführen, ist heute das neuerliche Urteil des Oberlandesgerichtes herabgelangt (sagte man damals).

Die Klage wurde am 3. September 1891 eingebracht und es wurden nach dem alten Verfahren dicke gedruckte Bücher als Satzschriften gewechselt. Die eingeklagte Summe wurde auf 1.032.677 K  restringiert (eingeschränkt) und im Jahre 1903 erfloss das erstrichterliche Urteil. Das Klagebegehren stützt sich darauf, dass der Bau der im Jahre 1874 begann, vertragsmäßig im Jahr 1882 vollendet sein sollte. Für diese Bauzeit waren auch die Zahlungsbedingungen kalkuliert worden, allein das Hofbaukomitee habe dem Bauunternehmer derartige Hindernisse und Erschwerungen bereitet, dass der Bau aus diesem Verschulden um fünf Jahre länger dauerte und hieraus wurde die Forderung für Mehrleistung aus Arbeitskräften, Materialien, eigene Mühe etc. mit 1,032.677 K berechnet.
Das Hofärar und der Stadterweiterungsfond, vertreten durch die Finanzprokuratur, wandte ein, die Klage sei eine Schadensersatzklage die binnen drei Jahren eingebracht werden musste, sie sei daher verjährt und gänzlich abzuweisen; das Hofärar machte für sich auch Mängel der passiven Klage-Legitimation geltend. Das Urteil des Landesgerichtes nahm gemäß den Ausführungen des Dr. Ruzicka an, die Klage sei eine Lohnklage, daher nicht verjährt, auf Grund der Schätzungen der Bausachverständigen werde den klägerischen Kindern der Betrag von 423.552 K zugesprochen. Dagegen brachten beide Teile Berufungen ein und das Oberlandesgericht entschied damals, die Klage werde gänzlich abgewiesen, weil sie eine längst verjährte Schadenersatzklage sei.
Nun ergriff Dr. Ruzicka die Revision und der Oberste Gerichtshof gab derselben statt. Das Urteil, wurde als rechtsirrtümlich aufgehoben, weil sich die Klage zweifellos als Lohnklage darstelle; zugleich trug der Oberste Gerichtshof dem Oberlandesgericht eine neuerliche Verhandlung auf, um über die einzelnen Ziffernsätze meritorisch (inhaltlich) zu entscheiden. Das hierauf herabgelangte zweite Urteil lautet: Nur der Stadterweiterungsfond allein ist schuldig, den klägerischen Erben als Nachzahlung für die weiteren fünf Baujahre den Betrag von 415.552 K (also um 8000 K weniger als im landesgerichtlichen Urteil) zu leisten und zwei Fünftel der Gerichtskosten, also weitere 29.101 K 80 H, zu ersetzen; die Berufung des Stadterweiterungsfonds wird im übrigen abgewiesen. Die Begründung dieser neuen Entscheidung besagt, der Bauvertrag, in welchem das Hofbaukomitee allerdings Preisbindungen feststellte, stehe dem Klagebegehren trotzdem nicht im Wege, weil hierbei ein regelmäßiger Baufortschritt vorschwebte, zumal ein bestimmter Vollendungstermin festgestellt war; für außergewöhnliche Ereignisse, welche die Bauperiode um fast das Doppelte verlängerte, wären die Preisansätze nicht berechnet; solche Ereignisse sind aber eingetreten und die Hofbauleitung hat dieselben durch Verzögerungen, Verspätungen, Unregelmäßigkeiten, Änderungen verschuldet. Der Bauunternehmer ist daher zur Forderung einer Lohnerhöhung berechtigt.

Gegen dieses Urteil werden wieder beide Parteien eine Revision einbringen, weil der Stadterweiterungsfond einen Vergleich abgelehnt hat und nach wie vor den Standpunkt vertritt, überhaupt zu keiner Nachzahlung verpflichtet zu sein. Allein auch nach erfolgter Entscheidung über diese Revisionen ist die Frage der Kosten des Hofburgtheaters noch immer nicht erledigt, denn es folgen noch zwei weitere Prozesse der Kinder des Erbauers, mittels welcher noch weitere 480.000 K für ungerechtfertigte Abzüge der Rechnungen aus der ordentlichen Bauperiode begehrt werden".



























       

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