Die Oberdonau-Zeitung berichtete am 3.6.1944 über den berühmten Komponisten Franz (Ferenc) Liszt (geb. 1811, gest. 1886). Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.
Liszt war ein Sonntagskind und nur selten verweigerte das Schicksal diesem Liebling der Götter einen Wunsch.
Einmal kam der Meister in einem Wiener Vorort an einem rosenbewachsenen Haus vorüber, das sein helles Entzücken erregte. Verträumt lag es in der Sonne, wundervoll musisch hingebettet in den blauen Tag. Hier wäre es schön zu wohnen, dachte der ewig unstete Künstler. Er blieb stehen und betrachtete mit Genuss das kunstvoll geschmiedete Gartengitter. Da fiel sein Blick auf einen Zettel, der mit einem lila Band an die Pforte gebunden war. Liszt griff nach seinem Lorgnon (Sehhilfe) und glaubte nicht recht zu lesen. Seine Wünsche schienen dem Himmel Befehle. Auf dem Zettel stand in verschnörkelter Schrift, dass hier ein vornehm möbliertes Chambre (Zimmer) mit Klavierbenützung an eine Standesperson abzugeben wäre. Sogleich zog Liszt die Glocke, die verhalten in Es-dur durch den Flur bimmelte. Ein alter Diener erschien und fragte nach dem Begehr des Herrn. „Ich möchte mir gern das affichierte Zimmer ansehen“, sprach Liszt. „Wem gehört denn dieser schöne Besitz?“ „Dies Haus samt Garten ist dem edlen Fräulein von Spiegelberg zu eigen“, verneigte sich das Faktotum und ließ den Meister eintreten.
Hatte es Liszt schon das Äußere des Hauses angetan, war er vom Innern noch mehr begeistert. Hier atmete in trauten Ecken und schummrigen Winkeln der Zauber Alt-Wiens, ein Hauch von Poesie lag auf allen Dingen. „Wen darf ich melden?“ fragte der Diener. „Sagen Sie der Dame des Hauses nur, ein Musikus aus Ungarn möchte das Chambre mieten.“ Der Alte ging durch eine verhangene Tür ab. Man hörte nebenan leise Stimmen. Offenbar wurde da im Salon des Fräuleins von Spiegelberg beraten. Nach einer Weile kehrte der Diener mit der Meldung zurück, das gnädige Fräulein wünsche, ehe es in weitere Verhandlungen über die Miete einträte, der Herr Musikus möchte ihm erst etwas Vorspielen. Liszt gefiel diese Bedingung ungemein. Er hatte es hier also mit einer kunstliebenden Person zu tun. Vielleicht war dieses Fräulein von Spiegelberg gar keine spinöse Schachtel, sondern eine charmante Dame, oder es hatte als weißhaarige Matrone sicher eine junge Nichte oder deren mehrere. Unwillkürlich befielen den feurigen Frauenverehrer amouröse Gedanken. Nun, er wollte der Hausfrau sofort seine musikalische Aufwartung machen. Man sollte an seinem Spiel den berühmten Maestro erkennen.
Er setzte sich ans Klavier und legte sich in die Tasten. Das zarte Klavizimbel, das bisher sicher nur von oktavenhaschenden Frauenhänden gestreichelt worden war, wusste nicht, wie ihm geschah. Es zitterte unter den Händen des temperamentvollen Künstlers. Seinen Passagen war es fast nicht gewachsen. Liszt ließ seinen Phantasien freien Lauf. Mit einem hinreißenden Finale schloss er dann, strich sich durch die Mähne und drehte sich auf dem Sessel herum. Er nahm an, dass nun das Fräulein von Spiegelberg auftauchen und mit den zwei Worten „Göttlicher Meister", die er so oft aus schönem Frauenmund zu hören bekam, auf ihn zustürzen würde. Aber nur der Diener erschien, pflanzte sich steif vor ihm auf und sagte: „Zu laut, "Misjö", viel zu laut für uns!" — öffnete kurzerhand die Tür und geleitete den verblüfften Virtuosen ohne jedes weitere Kompliment aus dem rosenbewachsenen „von Splegelbergischen Haus“.
Franz Liszt |
Liszt Denkmal in Weimar |
Franz Liszt |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen