Im Tagblatt und in der (Linzer) Tages-Post konnte man folgende Artikel lesen. Sie wurden etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.
Tagblatt 26. November 1919
Zu der Postmisere. Aus Vorderstoder schreibt man uns :
Man will uns ganz von der Welt abschneiden. Haben wir schon die Fußbotenverbindung zur Station Pießling verloren, so will man uns jetzt auch die Fahrpost nach Windischgarsten nehmen. Interessant ist der Gedankengang der hohen Herren bei der Linzer Postdirektion: Für die Fahrpost von Windischgarsten nach Vorderstoder werden für Wagen und Fuhrmann täglich 20 Kronen (1 Krone = 2€) gezahlt. Dass dies eine lächerliche Bezahlung ist, ist für jeden Menschen einleuchtend, sogar um 20 K Reisediäten ging keiner dieser Herren herein, aber für eine Volksnotwendigkeit will man nicht mehr hergeben.
Dem Fußboten,
der nun von Hinterstoder nach Vorderstoder gehen soll,
aber erst dann, nachdem er in Hinterstoder seinen Rayon
abgegangen hat, will man für diesen Weg, der im Sommer hin
und zurück drei Stunden, im Winter bei knietiefem Schnee vier
und mehr Stunden dauert, sage und schreibe 5 K bezahlen.
Dabei hat er die Postbeutel und alle Sachen bis fünf Kilogramm
zu tragen. Ein Paar Schuhe kosten derzeit 200 K und dürften,
nachdem der Preis der Häute ab Fleischhauer auf 15 K per
Kilogramm erhöht wurde (bisher 2 K 30 bis 8 K), auf 800
und vielleicht mehr kommen. Wenn der Bote ein halbes Jahr
täglich damit geht, so sind sie hin und er hat 900 K nicht
ganz verdient. Zum Glück ist der Bote bei diesem Verdienst
herrlich „verhungert".
Solche Ansichten werden von
staatlichen Ämtern im zweiten Jahr der Republik vertreten!
Will man wirklich das Volk zum Äußersten reizen.
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Oberjäger Prause |
(Linzer) Tages-Post 25. Oktober 1876
Eine Prielpartie mit Hindernissen.
Für gewöhnlich nimmt man den September als geeignetsten Monat für größere Bergpartien.
Wir beabsichtigten daher unsere längst projektierte Partie auf den großen Priel und das
Tote Gebirge zum Grundlsee im Laufe desselben auszuführen. Doch von Woche zu Woche
mussten wir dieselbe in Folge des konstant schlechten Wetters verschieben.
Dem Barometer wurde eine Aufmerksamkeit erwiesen wie nie zuvor, doch mit einer
wahrhaft klassischen Ruhe verharrte dasselbe in seiner gesunkenen Stellung. Wir aber
hatten es uns in den Kopf gesetzt heuer noch den Priel zu besteigen und sollte es
November werden. Unsere Ausdauer wurde denn auch belohnt,denn gleich Ende September
begann eine Serie von so wunderbar schönen und reinen Tagen, wie wir sie heuer noch nicht
hatten. Wir beeilten uns demnach unsere Ruckssäcke zu schnüren und uns auf die Beine zu machen.
Am 2. Oktober, abends 10 Uhr in Hinterstoder angekommen, wollten wir anfangs die prachtvolle
Mondnacht benützen und nach kurzem Aufenthalt aufsteigen, um bei Tagesanbruch oben zu sein.
Wir änderten jedoch später unseren Plan und brachen erst morgens auf. Der erste Gedanke ist
fast immer der beste, wir hätten uns viel Ärger erspart, wenn wir dabei geblieben wären.
Da wir alle drei geübte Bergsteiger sind, wären wir um 10, längstens 11 Uhr oben gewesen
und somit da es zu dieser Jahreszeit um Mittag am wärmsten ist, gerade zur günstigsten
Zeit.
Doch es sollte anders kommen.
Schon beim Weggehen erzählte uns der Führer, dass heute
der Herr Prinz von Württemberg mit mehreren seiner Gäste am Priel eine Gemsjagd abhalten
werde, dass der erste Trieb um den Brotfall herum stattfinde und dass, wenn wir jetzt aufstiegen,
wir wohl die Jagd beeinträchtigen könnten. Wenn wir jedoch eine oder höchstens anderthalb Stunden
warten möchten, so wäre der erste Trieb vorüber und wir könnten der Jagd nicht mehr schaden.
Da wir durchaus keine böswilligen Menschen sind und niemanden, ob hoch oder nieder, eine
Freude verderben wollen, da wir auch einsahen, dass unser Führer Ursache haben möge, sich mit
den Jägern nicht zu verfeinden, beschlossen wir aus freiem Antrieb in der Salmer Alm, wo wir
ungefähr um 6 Uhr anlangten, Station zu machen um den ersten Trieb abzuwarten.
Da diese Jagden, wie uns der Führer sagte, immer zeitlich Früh abgehalten werden, vermuteten
wir die Jagdgesellschaft längst oben; machten es uns daher in der erwähnten Alm so bequem
als möglich und ließen uns die aus Erbswurst bereitete Suppe trefflich schmecken.
Doch diesmal schienen sich die Herrschaften etwas verschlafen zu haben, denn wir waren
schon längere Zeit daselbst, als wir die selben erst heraufkommen sahen.
Der Oberjäger Prause, wie er uns genannt wurde, ging ohne uns zu grüßen, direkt auf uns zu
und schnauzte unsern Führer an: „Was machen Sie da? Kommen Sie herunter oder gehen Sie hinauf?“
Auf die Antwort, dass wir erst hinaufgingen und ohnedies schon längere Zeit hier warten,
um die Jagd nicht zu schädigen, replizierte Herr Prause mit Entfaltung von möglichst
noch mehr Grobheit in Ton und Gebärden: „Das geht nicht, sie dürfen nicht hinauf."
Sprachs und zog, natürlich wieder ohne zu grüßen, mit der übrigen Gesellschaft weiter.
Dass wir über diese Szene, die sich unendlich rasch abwickelte, ganz paff waren, wird jeder
Mensch begreifen. Ich ließ mich erst durch meinen Kalender überzeugen, dass ich mich bezüglich
des Jahrhunderts in dem wir leben, nicht täusche, betrachtete dann die Umgebung,
ob keine Ritterburgen mit gähnenden Burgverliesen bereit sind uns aufzunehmen oder andere
Merkmale des Mittelalters zu sehen wären.— Doch alles stimmte, es war keine Täuschung,
wir lebten wirklich im Jahre 1876. Ein Irrtum unsererseits war nur der, zu glauben, dass man das
Besteigen der Berge niemanden verwehren könne und dass, wenn man von jemanden eine
Gefälligkeit erwartet, man demselben höflich entgegenkommen müsse. Diesen Irrtum muss man
aber wohl unserem beschränkten bürgerlichen Fassungsvermögen zu Gute halten.
Nach der eben erhaltenen Probe von Rücksichtslosigkeit hielten uns auch wir nicht mehr länger
gebunden und beschlossen, eventuell ohne Führer unseren Weg fortzusetzen. Wir waren aber
kaum eine halbe Stunde gegangen, da trafen wir schon auf einen Jäger, der uns bedeutete,
er habe strengen Auftrag uns nicht weiter zu lassen. Ob sein Auftrag auch dahin lautete,
uns nötigenfalls niederzuschießen, wollten wir nicht erst erproben. Uns war klar, dass hier
Gewalt vor Recht gehe und dass wir nur riskierten, auch noch geprügelt zu werden, wenn
wir uns nicht gutwillig fügten.
Und so wurde es glücklich 2 Uhr bis wir unbeanstandet den
Aufstieg fortsetzen konnten.
Wir müssen natürlich annehmen, dass den hohen Herrschaften dieses, jedem Rechtsgefühl und
der gewöhnlichsten Lebensart Hohn sprechende Benehmen ihres Jägers, ganz entgangen sei. Ja wir
glauben sogar überzeugt sein zu dürfen, dass dieselben, die doch das ganze Jahr ihrem
Vergnügen nachzugehen in der angenehmen Lage sind, einer bescheidenen Touristengesellschaft,
die sich das Vergnügen einer solchen Partie vielleicht einmal des Jahres erlauben kann
und aus weiter Ferne deshalb herkommt, dieses Vergnügen selbst auf Kosten einer minder guten
Jagd nicht missgönnen würden.
Wir fühlten uns hauptsächlich deshalb veranlasst, diese Zeilen niederzuschreiben, weil
vielleicht außer uns noch manch andere Touristen die irrtümliche Ansicht hegen,
dass das Besteigen der Berge jederzeit zu den erlaubten Handlungen gehöre. Es ist uns zwar
kein diesbezüglicher Gesetzesparagraph bekannt, doch hat vielleicht das Jagdgesetz einen
geheimen Nachtrag über die „Schonzeit der Berge". Wir möchten dringend ersuchen, falls ein
solcher existiert, denselben zu veröffentlichen.
Unter solchen Umständen würde es sich auch sehr empfehlen, den verschiedenen Touristen -
und Alpenvereinen das Errichten von Schutzhütten und das Verbessern der Wege zu untersagen,
sowie die konzessionierten Führer abzuschaffen, um nicht noch mehr Fremde nach Österreich
zu locken. Die Schweiz hat ohnedies Berge genug zum Besteigen und die Leute dort sind sogar
so einfältig, die Fremden höflich zu behandeln.
Wie wir nachträglich erfuhren, war dieser Tag den Gemsen günstiger als den Schützen, da von den
vielen Gemsen, die wir hätten verscheuchen können, trotz der vielen Schüsse, die wir hörten,
keiner ein Haar gekrümmt wurde. Auch erfuhren wir, dass wir nicht die einzigen Internierten
an diesem Tage waren. Denn den Schafen des Besitzers der Salmeralm wurde auch an diesem Tage
das Botanisieren verboten. Doch scheint diese Maßregel, da bekanntlich Gemsen und Schafe
ganz kollegial verkehren, mehr im Interesse der Letzteren, vielleicht aus Misstrauen gegen einen
oder den anderen Schützen verfügt worden zu sein.
Um nun wieder auf unsere Partie zu kommen, fügen wir nur noch bei, dass wir ungefähr um 5 Uhr
auf der Spitze ankamen. Die Fernsicht war noch immer hübsch, doch die schönsten Stunden
waren verloren. Nach Sonnenuntergang stiegen wir bei Mondbeleuchtung wieder ab.
Da uns der Führer von der Partie über das Tote Gebirge abriet, änderten wir unseren Plan
und gingen anderen Tags über den Salzsteig zum Grundlsee, wo wir abends um 8 Uhr ankamen.
Der Tag war möglichst noch schöner, als die früheren und da wir keiner Jagdgesellschaft
begegneten, erreichten wir unser Ziel ganz unbehelligt. Diese Tour ist jedem anzuempfehlen, der
einen zweistündigen beschwerlichen Aufstieg und eine zehnstündige Wanderung nicht scheut.
Seit dieser Partie habe ich auch von dem Nutzen der Wallfahrten eine viel bessere Meinung
als früher. Ich bemerkte nämlich an den gefährlichsten Punkten beim Aufstieg am Salzsteig neu
angebrachte Verbesserungen, wie in den Felsen gehauene Stufen, eiserne Handhaben etc.
Natürlich glaubte ich darin das Werk einer touristischen Gesellschaft zu finden, doch machten
mich bald verschiedene Zeichen und unorthographische Heiligennamen in meiner Vermutung irre.
Auf mein Befragen erfuhr ich denn auch vom Führer, dass diese Verbesserungen von einem
gottesfürchtigen Mann aus der Landeshauptstadt herrühren. Es existiert nämlich jenseits der Berge ein Wallfahrtsort (Maria Kumitz) wohin die Leute aus Hinterstoder gern pilgerten. Da aber der
betreffende Heilige, welchen man dort verehrt, nicht die Eigenschaft hat, den Schwindel
zu verscheuchen, traute sich niemand mehr hinzugehen, bis der erwähnte Wohltäter den Weg
verbessern ließ.
Wir benützten nun dir herrliche Mondnacht zu einer Fahrt über den Grundlsee, gingen
dann nach Aussee. Nächsten Tages nach Altaussee, wo wir uns vom Anblick des Dachsteins
kaum trennen konnten und dann weiter über Steinach, Selzthal und Admont durch das Gesäuse
nach Hause.
Den Ärger, den uns die unterbrochene Privatpartie verursachte, hatten wir bald überwunden
und heute haben wir nur mehr die angenehmsten Erinnerungen an diese herrlichen Tage.
Nur wenn ich zufällig irgendwo lese oder sagen höre: Auf den Bergen wohnt die Freiheit,—
denke ich mir meinen Teil.
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