Diesen Artikel, aus der Serie "Hinterstoder Freiwillig" der Journalistin Marlis Stubenvoll hat Julia Körber von der Gemeinde Hinterstoder zur Verfügung gestellt.
Marlis Stubenvoll ist Journalistin und studiert nach Studienaufenthalten in Finnland und Dänemark zur Zeit im Master "Journalism, Media and Globalisation" in Amsterdam. In den Ferien zieht es sie immer wieder zurück in ihren Heimatort Hinterstoder. Die Artikelserie "Hinterstoder Freiwillig" aus der dieser Artikel stammt, entstand 2016 und wurde finanziert aus den Mitteln des Zukunftentwicklungs - Prozesses Agenda 21 des Landes Oberösterreich.
Zu Hause ankommen: Afghanische Flüchtlinge in Hinterstoder:
Heute steht der
Schuh im Mittelpunkt. Die Pensionistin Eveline Velek, der
Viertklässler Farzin und seine Mutter Razia Sharifi fahren im Auto die kurvige
Straße nach Windischgarsten zu einem Termin beim Orthopädie-Schuhtechniker.
Während Eveline lebhaft erzählt, sitzt der Junge aufmerksam am Rücksitz. Er
versteht Deutsch, spricht es aber nur im Flüsterton und mit einem schüchternen
Lächeln. Aber als das Gespräch auf Hunde fällt, blitzen seine Augen aus dem
runden Lausbubengesicht.
„Ihr habt das
gute Wetter mitgebracht“, scherzt der Schuhtechniker in der Praxis, bevor er
die blauen Einlagen hervorzieht. Tatsächlich ist heute der erste warme
Sommertag. Die Region präsentiert sich ganz anders als am 15. Dezember, als
Farzin, sein Bruder Fardin und seine Eltern das erste Mal Fuß in ihre
Flüchtlingsunterkunft in Hinterstoder setzten. Es war Nacht und die
Temperaturanzeige stand auf minus 15°C. Nur in Ballerinas und ohne Strümpfe war
seine Mutter angekommen. Die gleichen Schuhe trägt sie auch heute.
Zwölf Flüchtlinge
leben momentan in der Unterkunft. Eveline Velek ist ihre Nachbarin, aber sie
ist noch viel mehr. Die Hausbesitzer, ihre Freunde, baten sie um den Gefallen
hie und da nach dem Haus und seinen neuen Bewohnern zu sehen. „Kümmer dich ein
bissl, haben sie gesagt – und aus dem bissl Kümmern ist dann viel Kümmern
geworden“, sagt Velek und schickt ein herzliches Lachen nach. Die ehemalige
Finanzbeamtin aus Niederösterreich sieht mehrmals die Woche nach dem Rechten,
hilft beim Einkauf oder macht wichtige Fahrten. Damit unterstützt sie
ehrenamtlich die Arbeit der Caritas.
„Wussten Sie,
dass unsere Asylwerber Eveline auch ‚Eveline Mama’ nennen?“, erzählt Ursula
Postlmayr von der Caritas, die sich beruflich um die meisten organisatorischen
und bürokratischen Belange der Flüchtlinge kümmert. Aber Velek ist nicht allein
– zufrieden erwähnt Postlmayr die vielen helfenden Hände in Hinterstoder.
Einige Stoderer halten einen Sprachkurs, andere treiben wichtige Gegenstände
auf, erledigen Fahrten oder sind einfach da, um die leere Zeit des Wartens zu
verkürzen. Manchmal kommt auch eine Nachbarin vorbei und bringt selbstgekochte
Marmelade. Heute genügt ein Anruf von Velek an Paula Lang vom Sozialen Hilfsdienst,
um passende Schuhe zu den Einlagen zu besorgen.
Das Geben geht
aber in beide Richtungen. Wir kommen über die Schotterstraße zurück zum Haus.
Eveline zeigt auf die Schlaglöcher, welche die Asylwerber ausgebessert haben.
Auch beim Skiweltcup übernahmen sie Aufgaben: Sie verlegten Böden oder
sammelten Müll ein. Vieles, das in der Kneipp-Anlage blüht, wird auch von ihren
Händen gepflegt. Und bei zwei Festen präsentierten sie schon den Stoderern –
nicht ohne Stolz und mit Erfolg – die afghanische Küche auf reich beladenen
Tischen.
Nach dem
erfolgreichen Ausflug nach Windischgarsten sitzen wir noch in einer Runde
zusammen. Wir befinden uns im angenehm kühlen Wohnzimmer. Der Kachelofen bleibt
kalt, Schwarztee und Gebäck stehen für uns Gäste am Tisch. Farzins Vater rückt
draußen die Tomatenstauden in die Sonne – ein Geschenk von Frau Eveline Mucha,
die auch regelmäßig im Haus zu Besuch ist. Eveline Mama plaudert entspannt. An
den Wänden kleben Zettel, die Alltagsgegenstände beschriften. Lampe.
Kachelofen. Neben einem Lebkuchen-Anhänger: Herz.
Das Haus strahlt
eine Wärme aus, die mit den Bewohnern und Nachbarn gleich viel zu tun hat. Wenn
es eine Überschrift hätte, wie all die Gegenstände, dann würde hier stehen:
Gastfreundschaft.
Eveline Velek hieß vom ersten Tag an die Flüchtlingsfamilien in Hinterstoder als neue Nachbarn Willkommen. |
Afghanischer Abend bei Monika und Kurt Aufner im Prielergut |
Die Köchinnen der wunderbaren Afghanischen Speisen mit Monika Aufner |
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