Die "Kronen-Zeitung" berichtete am 4. September 1942 vom zufälligen Zusammentreffen zweier Soldaten aus Hinterstoder im 2. Weltkrieg am Eismeer. Diese Geschichte dürfte allerdings aus Kriegspropaganda frei erfunden sein.
Schreibweise angeglichen:
Das war draußen in der Tundra auf Stützpunkt drei an dem Tage, da der neue Feldersatz eintraf. Wir standen vor dem Feldbunker, um uns die „Neuen" anzusehen.
Grad stiegen sie, alle sieben, den steilen Hang herauf. Da tat der Oberjäger Sepp Schmadler einen lauten Schrei: „Michl!" Einer von den Neuen riss den Kopf hoch, blieb stehen und stand stramm: „Jawohl, Herr Oberjäger...", dann aber ging weit das Gesicht auseinander: „Sepp!" Der Oberjäger sprang ihm entgegen und stieß ihm die Faust ins Kreuz vor lauter Freude: „Michl!" Dann standen sie beisammen und schauten sich bloß an und konnten nichts mehr sagen, eine Weile lang. „Hinterstoderer" in aller Welt „Das ist nämlich der Michl", erklärte der Oberjäger dann, zu uns gewendet, „der Michl vom Gstatterbauer, von mein Nachbar!" Nun setzen sie sich vor dem Bunker zusammen. „Vorigs Jahr um die Zeit sein wir noch in Hinterstoder beinand g'sessen", meint der Junge, „und jetzt sitzen wir da am Eismeer beinand!" und schüttelt den Kopf, er kann es noch immer nicht glauben. „Und dein Bruder, der Hans?, fragt der Oberjäger. „Der is da bei Moskau umadum!" „Und der Peter?" „Den hats auf Kreta erwischt, aber nit schwer, bloß beim Kopf. Jetzt ist er in Frankreich, drüben am Kanal!" „Und der Rauggl-Lois?" „Der Lois ist noch allweil beim Rommel drenten in Afrika!" „Sakra, sakra", sagt der Oberjäger bewundernd, „wo's heutzutage auf der Welt überall Hinterstoderer gibt, ist nit zu glauben. Der Hipfl Hans, schreibt die Lena, ist gar im Kaukasus!"
Wir hören den beiden zu und haben auch so unsere Gedanken dabei. Der Oberjäger Schmadler, der Michl, sein Nachbar, die Brüder, alle, von denen sie reden, Bauern und Holzknechte, sind früher einmal vielleicht von Hinterstoder nach Vorderstoder gekommen, etlichemal im Jahr sogar nach Windischgarsten. Aber in die Stadt Steyr war es für einen Hinterstoderer schon eine große Reise. Und jetzt sind sie das ganze Deutschland ausgefahren, die Bauern und Holzknechte von Hinterstoder, der Quere nach und der Länge nach und weit noch über die Grenzen hinaus. Polen und Frankreich sind jetzt so nah wie früher Steyr und Gmunden, Norwegen und Griechenland nicht weiter als Salzburg und Linz, das ganze Europa liegt jetzt um Hinterstoder herum wie die Stodertaler Berge. Das Schwarze Meer, das Weiße, das Rote sind nicht mehr weit. Die ganze Welt steht sperrangelweit offen. Und das haben die von Hinterstoder überall, wohin der deutsche Soldat kommt, geht ihm die Tür auf. Er sieht das Land und die Leute mit eigenen Augen und „erfährt" so selber die ganze Welt. Er weiß, dass man in Afrika frieren kann und am Eismeer schwitzen, und dass noch vieles andere nicht stimmt, was man sonst so gelernt und gelesen hat. Selber anschauen ist halt immer das Beste, sagt er. Er sieht auch, dass der Boden am Dnjepr dreimal so gut ist als daheim und an der Loire doppelt, nur voller Unkraut, dass die Almen im Gulbrandstal schöner sind und die Wälder in Finnland größer und dass fast überall, wo er bisher war, die Arbeit des Bauern leichter ist als auf dem steilen, steinigen Acker daheim und das Leben bequemer. Aber grad weil er so viel gesehen hat, was anders ist als daheim, versteht er erst, warum das alles daheim so ist und nicht anders. Je mehr er Leut und Länder kennenlernt, desto sicherer weiß er: Das Schönste in der Welt ist allweil noch das kleine Dörfl tief hinten in den Bergen: Hinterstoder.
So hat ihm erst die Welterfahrung, die er als deutscher Soldat gewonnen hat, die Liebe zur Heimat bewusst gemacht. Alles, was er so in den stillen Stunden, die es selbst im schwersten Kampf gibt, über die Heimat denkt und sinniert, schaut jetzt ganz anders aus. Er weiß, Hinterstoder liegt so gut in Europa wie Paris und es hat in seiner Art genau so viel dabei mit zu tun wie dieses; denn das neue Europa, von dem jetzt überall die Rede ist, wächst nicht bloß von außen her, es wächst auch von innen und ist nirgends lebendiger als im Herzen des deutschen Soldaten.
Karl Springenschmid: Kriegsberichter
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