Den arbeitsreichen Tagesablauf einer Bäuerin beschrieb Franz Müller in der Oberdonau-Zeitung am 15. März 1943. Der Artikel wurde etwas gekürzt und unserer Zeit angepasst.
Der Tag auf dem Land beginnt zeitig früh, denn er muss ausgenützt werden und beim Landvolk ist das alte Sprichwort von der "Morgenstunde hat Gold im Munde" immer noch hoch im Kurs.
Um 4 Uhr stehen die Knechte und Mägde schon auf und bald darauf erhebt sich auch die Bäuerin. Denn wenn das Vieh in den Ställen gefüttert ist, dann wollen auch die Dienstleute ihr Frühstück haben. Die „Kuchlmagd" hat schon eingeheizt und nun stellt die Bäuerin die „Sauersuppn“ auf den Herd, das bevorzugte Frühstück auf dem Lande in OberÖsterreich. Milch und Mehl bilden die Bestandteile und dann wird ein gutes Stück unserer großen Bauernbrotlaibe hineingebrockt. Schmackhaft, nahrhaft und ausgiebig ist sie und muss sie auch sein, denn die Arbeit in der frischen Luft bedarf einer guten „Unterlage“. Bald ist die große Schüssel leer und kurz darauf auch die Stube, denn jedes geht nun wieder an die Arbeit, im Stall, auf dem Feld oder draußen im Wald. Das ist aber — wohlgemerkt — noch Winterfahrplan. Denn wenn die Tage länger werden, besonders aber zur Erntezeit, verschiebt sich alles noch etwas nach vorn. Jetzt aber heißt es für die Bäuerin die Zeit nützen.
Rasch wird aufgeräumt in den Stuben und Kammern, wird das Vorhaus gekehrt und auch die „Gred“ nicht vergessen. Unter der „Gred“ verstehen unsere Bauern einen aus Steinplatten gebildeten und rund um den Hof laufenden, erhöhten Gehsteig, der vor allem dazu bestimmt ist, dass man aus dem Hof, in dessen Mitte auch heute noch fast überall der Misthaufen seinen Platz findet, nicht allen Schmutz unmittelbar in Vorhaus und Stube trägt, dass man überhaupt trockenen Fußes von einem Teil des Hofes, etwa dem Wohnteil, in den Stall, den Stadel usw. gelangt. Für die Bäuerin ist es aber inzwischen auch schon Zeit geworden, nach dem Federvieh zu sehen, das mit dem Hell werden seine Ansprüche anmeldet. Gerade die Hühner sind das ureigene Gebiet der Bäuerin, in das sie sich auch vom Bauern nichts hineinreden lässt und der Erlös aus dem Hühnerstall steht ihr nach altem Brauch ganz allein zu. Ein altes „Bachsöchterl“ (Körberl) mit Gerstenschrot unterm Arm eilt sie hinaus und schlägt den Riegel am Hühnerstall zurück. Da schießen sie nun heraus mit Windeseile, die schön gepflegten Hühner, auf die unsere Bäuerin natürlich nicht wenig stolz ist. Sie eilen hin zu ihrem Frühstück, das durch Kürbisskerne, Kartoffelschalen usw. ergänzt wird.
Die nächsten, denen die Sorge der Bäuerin gilt, sind ihre Ferkel. Die dürfen auf keinen Fall vernachlässigt werden. Es ist ein langer und schwieriger Weg, bis aus so einem rosigen „Farl“ endlich eine große Fleisch- oder gar Fettsau wird. Oft schlägt sich bei der Aufzucht dieser mit Recht so geschätzten Tiere Krankheit und Tod dazu und Kaufgeld, Futter und Arbeit waren umsonst.
Inzwischen aber ist es halb neun geworden und die Bäuerin muss wieder für die Leute sorgen, damit sie zu ihrer Jause kommen. Das ist verhältnismäßig einfach, wenn sie in oder nahe beim Haus beschäftigt sind. Zeitraubend aber, wenn Knechte und Mägde draußen auf den Feldern oder im Holz arbeiten und die Bäuerin ihnen die Jause hinausbringen muss.
Gut, dass sie das heute nicht zu tun brauchte, denn sonst wäre ihr am Ende der „Rastlbinder“ entwischt, der sich nun schon so lang nicht hatte sehen lassen und der jetzt auf einmal unvermutet aufgetaucht ist. Unser „Rastelbinder" hier ist aber noch ein Überbleibsel aus der guten alten Zeit, aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Und er stammt auch aus der eigentlichen Heimat dieser geschickten Kessel- und Pfannenflicker, aus den slowakischen Karpaten, von wo die Leute infolge der Kargheit des Bodens seit je her einen Teil des Jahres über fortzogen um ihr Brot in anderen, besseren Gegenden — so auch bei uns – zu verdienen. Heuer hatte er so viel zu tun, dass er nicht einmal im Winter wie sonst gewöhnlich nach Hause fahren konnte, bemerkt der fleißige, bescheidene und auch gerade nicht mehr junge Mann. Die Bäuerin aber läuft schon treppauf und treppab und späht in jeden Winkel, wo sie eines schadhaften Gegenstandes habhaft werden konnte. Die Häfen und Eimer türmen sich bald vor dem „Stephan“ — auf dem Land gilt der Taufname mehr als der Familienname —, der nun bald darauf los hämmerte, da ein Loch mit einer Niete flickte, dort einen neuen Boden „draufzinkt“.
Der Postbote ist der nächste, der den Hof betritt. Heute ist es eine Ankündigung, dass die angeforderten Gemüsepflanzen geliefert wurden und sie zu einer gewissen Zeit da oder dort abgeholt werden können. Was hat die Bäuerin früher Gemüse gepflanzt? Ein wenig Salat, ein paar Gurken, etwas Petersilie und andere Suppenkräuter, aber sonst war es um den Hausgarten auch eines sonst stattlichen Hofes geradezu erbarmenswürdig bestellt. Das Gemüse des Bauern war das „Sauer“kraut, ein anderes kannte er nicht. Nun aber ist es manches Joch, das er im Frühling mit Gemüse bestellt und von dem er auch eine recht respektable Einnahme hat. Arbeit aber gibt es freilich mehr — meint die Bäuerin — und wenn man so an einem Tag ein paar tausend Pflanzen gesetzt hat, dann spürt man, dass man einen Buckel hat.
Jetzt bleibt ihr oft nicht einmal mehr Zeit zum Kochen und zum Essen, bis alles sortiert und abgezählt bereitliegt. Jetzt muss sie aber geschwind in die Küche, unsere Bäuerin, denn übermorgen heißt es Brotbacken und da muss sie heute schon einrühren. Sauerteig hat sie ja vom letzten Backen zurückbehalten. Jetzt gibt sie noch ein wenig Hefe dazu und Wasser, alles bleibt dann stehen bis zum nächsten Morgen, wo noch einmal eingerührt wird, weil das dann besser treibt. Sie verrät mir, dass sie das Brotmehl mit Kartoffeln streckt, die dem Brot einen guten Geschmack geben und auch gleichzeitig verhindern, dass es so schnell „spör“ (trocken) wird, wovon sie mich mit einer Kostprobe auch überzeugte.
Wollen wir das Tagewerk unserer Bauersfrau nun noch weiter verfolgen, chronologisch, mit der Uhr in der Hand? Es gibt kein Ausschnaufen vom Aufstehen in der Früh bis zum Schlafengehen am Abend, immer hat sie alle Hände voll zu tun. Nach dem Kochen muss abgewaschen werden, dann wieder die Jausen gerichtet und zwischendurch im Kuhstall nachgegangen werden. Dann muß sie zu den Schweinen, danach verlangen die Hühner ihr Futter und die Milchkannen ihre Reinigung. Wenn sich jemand weh tut am Hof, dann kommt er zu ihr um Salbe und Schmiere und ein leinernes „Flöckerl“ (Fleckerl) zum Einbinden. Wenn aber im Stall eine Kuh sich legt (erkrankt), dann ist es wieder die Bäuerin, die oft bis tief in die Nacht hinein bei ihr bleibt und der Krankheit mit all den Mitteln zu Leibe rückt, die schon Mutter und Ahnen bei solchen Fällen angewandt haben, so lange bis das Tier wieder steht und — wieder frisst.
Im Sommer aber, wenn die Ernte eingebracht wird und sich ein Wetter am Himmel türmt, dann muss die Bäuerin auch hier mit zugreifen, damit noch möglichst viel vor dem Ausbruch des Unwetters unter Dach kommt. Dann heißt es alles liegen und stehen lassen und mit zugreifen. Zugreifen allerdings, das kann die Bäuerin. Hart und fest zugreifen — ohne viele Worte.
Die Leute in der Stadt aber, werden die nicht mit jedem Stück Brot, mit jedem Schluck Milch, mit jeder Kartoffel an den Einsatz unserer Bäuerinnen landauf und landab erinnert??
Gemälde von Albin Egger Lienz (geb. 1868, gest. 1926)
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